Pipeline-Bau kollidiert mit Naturschutz: Winterpause für Putins Pipeline?
Der Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 soll nach dem Willen der Investoren im Winter weitergehen. Dagegen wenden sich Naturschützer.
Vor wenigen Tagen hat der US-Kongress Sanktionen gegen die Firmen beschlossen, die sich am Bau der Pipeline beteiligen. Die USA protestierten von Beginn an gegen die 1.230 Kilometer lange Leitung, die vom russischen Wyborg nahe der finnischen Grenze bis Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern führen soll. Sie beschuldigen die Europäer, allen voran Deutschland, sich abhängig von russischer Energie zu machen.
Brisant ist das Nord-Stream-Projekt auch, weil der Bau 2015 beschlossen wurde, als international Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim erlassen wurden.
Doch solche wirtschaftlichen und geopolitischen Fragen spielten für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie keine Rolle, sagt Nico Nolte, Abteilungsleiter für Offshore-Projekte am BSH, der taz. „Wir entscheiden rein nach fachlichen Kriterien, es gibt keine Diskussion über die politische Dimension.“
Betreiber der Pipeline ist die Nord-Stream-2-Projektgesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Dahinter steckt der russische Energieriese Gazprom.
Zu den Investoren gehören die Energiekonzerne Shell, Dea Wintershall, Engie, OMV und Uniper.
Die Pipeline verläuft durch die Ostsee und quert dabei die Hoheitsgebiete von Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland.
Verlegt werden rund 200.000 Rohrstücke. Für die Arbeiten werden spezielle Verlegeschiffe verwendet.
Geplant war zunächst ein Tempo von drei Kilometern pro Tag, der Zeitplan wurde nicht eingehalten.
Stattdessen sprach die Runde von Fachleuten, die sich am Montag in der Hamburger Behörde traf, über Seevögel. Rund neun Millionen Tiere, so eine Zahl des Umweltverbandes Nabu, überwintern in den flachen Ostseegewässern. Darunter sind Eisenten, erkennbar an den roten Flecken auf den Schnäbeln und den elegant geschwungenen Schwanzfedern der Männchen, und die eher unscheinbaren Ohrentaucher sowie weitere Arten. Sie landen zu Beginn der kälteren Jahreszeit in Buchten und auf dem freien Wasser. Je nach Art bleiben sie bis weit in das Frühjahr im Ostseerevier. Daher gilt eigentlich ein Bau-Verbot in diesen Monaten.
Die Nord Stream 2 AG, hinter der in erster Linie die russische Gazprom steckt (siehe Kasten), besitzt eine Baugenehmigung durch die deutschen Hoheitsgewässer, die von den zuständigen Behörden, darunter das Hamburger BSH, am 31. Januar 2018 ausgestellt wurde. Doch diese Erlaubnis ist auf die Sommermonate beschränkt.
Aufgrund von Verzögerungen bei den Bauarbeiten sei aber „der Zeitplan ins Rutschen geraten“, so Nolte. Aktuell sind die Verlegeschiffe noch in dänischen Gewässern tätig. Die Projektgesellschaft würde nun gern „ohne Pause weiter verlegen“ und hat daher einen neuen Bauantrag gestellt. Bei der Anhörung würden die Argumente gehört und besprochen, so Nolte. Mit am Tisch sitzen unter anderem Vertreter des Bergamtes und des Bundesamtes für Naturschutz. Besprochen wird dabei auch ein Einwand des Nabu, der die Pläne für den Weiterbau im Winter scharf kritisiert.
Der Naturschutzverband stellt sich nicht zum ersten Mal gegen das Großprojekt am Meeresgrund. So vermutete der Nabu-Meeresexperte Kim Detloff einen Zusammenhang mit den Verlegearbeiten, als 2018 an den Küsten von Vorpommern Schmierfettklumpen gefunden wurden. Im März 2018 klagte der Verband gegen das Bauprojekt, konnte aber in mehreren Instanzen keinen Baustopp erreichen.
Ob die Warnungen des Naturschutzes nun gehört und die Verlegearbeiten über Winter gestoppt werden, stand am Montag noch nicht fest. „Wir prüfen das sorgfältig“, so Nolte zur taz. „Der Vorhabensträger Nord Stream muss Rede und Antwort stehen.“ Ziel sei aber, bis Ende Dezember zu entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz