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■ VorschlagPilze und tropfende Wände: Ausstellung im Wasserspeicher

Es riecht nach Moos und altem Gemäuer. Im Halbdunkel wandelt man durch eine spärlich beleuchtete runde Halle unter Tonnengewölben und zwischen Rundbögen entlang. Wo früher 3.700 Kubikmeter Wasser aufbewahrt wurden, wird heute Kultur angeboten. Die Ausstellung „Die Wasserspeicher. Historie. Gegenwart. Perspektiven.“ im kleinen Wasserspeicher am Prenzlauer Berg ist die erste Kulturveranstaltung, seit der Wasserspeicher im Juni 1995 wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen geschlossen wurde.

Magisch angezogen wird man von der Mitte des Raumes. Hier plätschert ein blauer, von unten beleuchteter Brunnen, das Wasser wirft Lichtreflexe an die Gewölbewände, kleine Goldfische schwimmen ihre Kreise. Das Plätschern im Brunnen wird begleitet von teils maschinellen, teils instrumentellen Klängen, die aus Lautsprechern dumpf röhren und schräg quietschen. Eine Klangkomposition von Henry Mex, zusammengesetzt aus sechs Tonspuren, für jeden Lautsprecher eine. Auch das verstärkt die bizarre Atmosphäre des Ortes. Vom Brunnen aus blickt man auf einen langgezogenen menschlichen Schatten an der Wand, der wenn man sich ihm nähert, grün schimmert und wie das Moos mit dem Gebäude verwachsen zu sein scheint. Tatsächlich ist es ein riesiger Kresseflies. Die begrünten Schatten von Stefan Miteff sind eine Anspielung auf die Vergangenheit des Gemäuers im Dritten Reich: Der 1914 trockengelegte Speicher wurde 1933 zu einer nationalsozialistischen Folterstätte. Die Schatten lauern an den Ecken der Rundbögen und breiten sich zehn Meter lang über den Fußboden aus. Gespenster der Vergangenheit, die von den Besuchern unbeachtet teilweise schon zertreten sind.

Im gegenüberliegenden Teil der Ausstellung holt einen ganz schnell die Realität wieder ein. Hier werden Diplomarbeiten von Architekturstudentinnen ausgestellt, die sich mit der denkmalgerechten Sanierung des Speichers befassen, um ihn auch in Zukunft – beheizt und mit Garderobenanbau ausgestattet – für Kulturprojekte nutzbar zu machen. Wer die Wasserspeicher noch mit ihren Schimmelpilzen und tropfenden Wänden erleben will, muß sich also beeilen. Julie Annette Schrader

Bis 1. 6., Mi.-So. 15-21 Uhr, Kleiner Wasserspeicher, Eingang: Kolmarer Straße, Prenzlauer Berg

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