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■ Mit neuen Besen auf du und duPiechs Keraus bei VW

Berlin (taz) – Auf internationalem Parkett macht Ferdinand Piech zumeist keine gute Figur. Der wortkarge gelernte Automobilingenieur gilt allgemein als „kalter Hund“ im Umgang, „menschlich kantig“ umschreibt das höfliche Munzinger Archiv die Ruppigkeit des Porsche-Enkels auf dem Chefsessel des Volkswagen-Konzerns. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Carl H. Hahn, der vor lauter internationaler Expansion völlig den Profit vergaß, kümmert sich der einstige Audi-Sanierer zunächst ums Geschäft, das im vergangenen Jahr einen „operativen Verlust“ von 1,11 Milliarden Mark einfuhr; obwohl der Konzern 3,5 Millionen Autos verkaufte, so viel wie nie zuvor.

Der herrische Umgangston ist zumindest heute, am 13. Piech-Tag an der VW-Spitze, Programm: auf einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung wird der neue Besen drei der neun Vorstände hinauskehren und zwei weitere degradieren lassen. Vorzeitig gehen müssen Finanzvorstand Dieter Ullsperger, Logistikchef Günter Hartwich und Revisionschef Peter Frerk. Personaldirektor Martin Posth wird wohl, wenn er's mitmacht, nach Asien abgeschoben und Vertriebsstratege Werner P. Schmidt nach Nordamerika vertrieben.

Unter massiven Rechtfertigungsdruck setzte Piech, der vor Amtsantritt bereits Massenentlassungen angedroht hat, auch die Werksmanager: seit dem ersten Arbeitstag des Jahres besuchte er reihum die inländischen VW- und Audi-Fabriken, wo er, wie es heißt, die Regionalchefs in arge Erklärungsnöte brachte. Ihre Ideen zur Produktivitätssteigerung gingen ihm nie weit genug. In der Tat ist VW unter den großen Autokonzernen derzeit Schlußlicht. Pro Kopf der Beschäftigten liefen dort 12 Autos vom Band, bei Opel waren es durchschnittlich 17,3 Stück.

Daß Piech beim Sanieren an der Spitze anfängt, erhöht unter den von Massenentlassung bedrohten Werktätigen durchaus seine Akzeptanz. Allerdings wundern sich immer mehr der VW-Beschäftigten, daß ein Name noch nie auf einer Streichliste aufgetaucht ist: der des Umweltvorstands Ulrich Steger. Seit anderthalb Jahren ist der frühere hessische Landesminister nun in Wolfsburg. Geändert habe sich nur, daß es jetzt bei der Marke VW einen neuen Vorstandsbereich namens Umwelt mit über 100 Beschäftigten gebe, monieren seine Kritiker. Der Umwelt- Vorstand habe nicht einmal Stellung zum FCKW-Einsatz in der Produktion genommen und nichts zu den Ersatzstoffen und deren Entsorgung gesagt, die genauso schädlich seien wie die Ozonkiller.

Auf Vorstandssitzungen soll Steger sich besonders mit einer Tischvorlage mit Zitaten aus dem Buch „Von der Seelenruhe“ des Philosophen Seneca hervorgetan haben. Das Zitat, das er „zum Zeitmanagement“ heraussuchte, läßt sich inzwischen wohl am besten auf Steger selbst beziehen: „Der größte Teil unseres Lebens geht dahin mit unwürdigem Tun, ein großer mit Nichtstun, das ganze Leben mit belangloser Beschäftigung...“ Donata Riedel

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