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Pictures of a female Exhibitionist

■ Die junge egozentrische britische Künstlerin Tracey Emin zeigt ab Samstag im GAK schlichtweg alles

Die Flucht vor Paparazzi endete für Lady Diana bekanntlich mit einem harten Knall vor einem Betonpfeiler. Ein paradoxer Tod. Denn der Versuch, den sensationslüsternen Fotografen ein wenig Privatleben abzutrotzen, mutierte zu einem der spektakulärsten öffentlichen Events des Jahrhunderts. Infolgedessen wird man bald nicht einmal an einer Briefmarke lecken können, ohne Gefahr zu laufen, die Zunge an Dianas zweidimensionalen Hinterkopf entlangflutschen zu lassen.

Auch Tracey Emin ist berühmt, ein hipper Star der jungen britischen Kunstszene. Aber für die Meute der Yellow Press ist sie vollkommen uninteressant. Jeder weiß auch ohne ihre Mithilfe, daß Tracey Emin ausgesprochen gerne bumst, regelmäßig masturbiert und ziemlich häufig betrunken ist. Ihren zahlreichen Liebhabern hat sie mit der Installation „Everyone I Have Ever Slept With 1963-1995“ein aufsehenerregendes Denkmal gesetzt, Emins nackter Körper mit besonderer Berücksichtigung der Vagina ist in ihren fragilen Tintenzeichnungen omnipräsent. Und selbst noch die entlegendste biografische Notiz – Liebesbriefe, Fotografien aus dem Familienalbum, der Autounfall von Onkel Colin – findet sich in der ersten Retrospektive der Künstlerin in Deutschland in den Räumen der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) en détail ausgebreitet. Ein Gang durch die Ausstellung, und der Betrachtende wird zum Voyeur wider Willen. Tracey Emins zeigt alles, verschweigt nichts, kultiviert mit einer effektvollen Mischung aus Intimität und Skandalon die Legendenbildung um sich selbst. 1995 eröffnete sie in London das „Tracey Emin Museum“, in dem sie den Starkult um ihre Person auf die Spitze getrieben hat. Einziges Thema des Museums: Tracey Emin.

Den Verdacht, sie inszeniere sich gezielt, weist die 35jährige jedoch weit von sich. „Ich bin nicht clever, sondern habe einfach nur Gefühle.“Und da ihr Leben voller Anlässe für überwältigende Gefühle ist, platzt die GAK angesichts der großen Zahl von Zeichnungen, Photos, Objekten, Installationen und Filmen fast aus allen Nähten.

Zwei Abtreibungen, eine Vergewaltigung, diverse Mißhandlungen und Selbstmordversuche haben Furchen in das Leben der zerbrechlich wirkenden Frau gerissen, und ihre Kunst hat Tracey Emin immer wieder davor bewahrt, aus diesem zuweilen wenig erbaulichen Leben zu entgleiten. „Ich brauche Kunst wie ich Gott brauche“– ein Satz, den sie so ernst sagt, daß nicht einmal ein Hauch von Kitsch ihn umweht.

Ist es vor diesem Hintergrund eine besondere Spielart britischen Humors, wenn Emin bemerkt, die meisten Menschen lachten sich dennoch schlapp, wenn sie ihre Ausstellungen sähen? In der Tat wirken ihre Texte – zumeist arbeitet sie mit langen handgeschriebenen Briefen, bunten Buchstabencollagen und kurzen krakeligen Notizen – oft lakonisch, verspielt, makaber. „Ich bin einsam, wütend, frustriert, reich, sexy, wundervoll, clever, talentiert, ausgestattet mit einem guten Sinn für Humor“, steht in großen Buchstaben auf einem ihrer Bilder. Eine ziemlich vollständige Selbsterkenntnis dieser hemmungslosen Exhibitionistin. Und seit sie berühmt ist, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht, geht es ihr richtig gut. „It's a good time for me.“Nun ja. Man tut sich schwer damit, Tracey Emins Selbstbeschreibung zu glauben. Denn die Arbeiten der cleveren Britin scheinen etwas anderes zu erzählen. Zumindest manchmal. zott

Die Ausstellung „I need art like I need God“wird in der GAK am Samstag um 19 Uhr eröffnet und ist bis zum 19. April zu sehen. Es erscheint ein Ausstellungskatalog.

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