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■ StandbildPhrasenhandbuch

„Foyer: Regisseure dieser Tage“, Samstag, 3 sat, 19.10 Uhr

Thema Nummer eins im Reich des Theaters war 1993 die Notwendigkeit einer Strukturreform. Sich nach der Decke des jeweiligen Etats zu strecken wurde zum vordringlichsten Anliegen. Die Reflexion der ästhetischen Kategorien kam dabei zu kurz, Paradigmenwechsel blieben unkommentiert. Die jungen TheatermacherInnen inszenieren überraschend ideologiefern. So symbolisierte Anselm Webers „Tartuffe“ auf der Bühne des Deutschen Theaters keineswegs eine parasitäre Klasse, sondern gerade mal den Einzelfall. Die junge Regiegarde scheint es nicht mehr Richtung Barrikade, sondern ins Private zu ziehen.

Jo Schmidt, der sich für „Foyer“ mit jungen Regisseuren beschäftigte, hatte ein durchaus erkenntnisträchtiges Theaterthema gewählt. Leider hat er nicht allzuviel daraus gemacht. Er versuchte keine zusammenfassende Analyse, sondern blieb ganz affirmativ. Konstanze Lauterbach (Leipzig), Sewan Latchinian (Berlin), Christian Stückl (München) und Leander Haußmann (überall) wurden bei den Proben beobachtet und nach ihrer Selbsteinschätzung befragt.

Die folgenden Inszenierungsausschnitte waren noch der erhellendste Teil des Beitrags. Denn daß nicht viel Substantielles aus den Befragten herauszuholen war, hätte eigentlich klar sein müssen. Regisseure erklären sich in ihrer Arbeit oder eben gar nicht. Und aus dem Off kamen nur solche Einschätzungen wie die, daß sich Stückl auf jedes neue Stück einlasse „wie auf einen Abenteuertrip“. Das klingt, als sei es einem Phrasenhandbuch für Personenfeatures entnommen.

Unseligerweise hat Schmidt als „augenzwinkernden szenischen Kommentar“ auch noch noch mehrere Pantomimen von Jewgenij Sitochin dazwischengeschnitten. Regieklischees: peitschenknallender General, Bücherwurm, Marionettenspieler, Dauernörgler etc. Eine unpassendere Antwort auf die Frage nach der Charakteristik junger Regisseure ist kaum vorstellbar. Immmerhin wurde dann im Anschluß noch Haußmanns Münchener Inszenierung von „Romeo und Julia“ gezeigt. Petra Kohse

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