Pharmamanager über Biotechnologie: „Grüne Gentechnik wird gebraucht“

Innovationen und nicht knappe Ressourcen befördern die pflanzenbasierte Wirtschaft. Das meint der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie.

Gentechnik macht konkurrenzfähig – behauptet die Industrie. Bild: ap

taz: Herr Braun, wird es die Bioökonomie in diesem Jahr in den schwarz-roten Koalitionsvertrag schaffen?

Matthias Braun: Wir hoffen, dass sie erwähnt wird.

Wieso?

Weil das jetzt eine ganz spannende Zeit für die pflanzenbasierte Industrie ist. Durch die neuen Funde und Fördertechniken von Erdöl stellt sich die Frage nach dem Ersatz fossiler Energien neu. Dort, wo biobasierte Unternehmen auf die Substitution von Öl gesetzt haben, bei Biokunststoffen oder Biokraftstoffen, müssen wir fragen, ab wann sich das künftig wirklich rechnet. Interessant wird es sicher da, wo biotechnologische Produkte einen Zusatznutzen bieten, etwa Plastiktüten, die kompostierbar sind. Treiber der Bioökonomie ist momentan nicht die Knappheit von Öl, sondern Innovationen.

Bedeutet Bioökonomie für Sie die Transformation der Rohstoffversorgung, weg von der auf Erdöl setzenden Wirtschaft?

Das kann man darunter verstehen, und das war einmal die Triebfeder für viele Initiativen in dem Bereich. Diese Triebfeder gibt es so nicht mehr. Darum verstehe ich Bioökonomie als Teil einer gesamten Ökonomie, in der auch fossile Energieträger und Rohstoffe noch eine Rolle spielen. Es nützt uns gar nichts, wenn wir im Jahre 2035 hundert Prozent alternative Energien haben und unsere Produkte dann deshalb nicht mehr weltmarktfähig sind.

50, ist Teil der Geschäftsführung des Pharmakonzerns Sanofi-Aventis und Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie.

Die Rohstoffwende wird nicht nur gefordert, weil die Ölvorräte begrenzt sind, sondern auch, weil Öl aus politischen und ökologischen Gründen ein problematischer Rohstoff ist.

Solange wir uns in politisch abgeschotteten Räumen bewegen, etwa in Deutschland oder in der Europäischen Union, ist das ein Argument. Hier können wir sagen, wir wollen die Bioökonomie und alternative Ressourcen aus diesen oder jenen Gründen fördern. Sobald Sie auf den Weltmarkt treten, gilt das aber nicht mehr. Denn solange weltweit Erdöl in der Produktion und für Energiegewinnung eingesetzt wird, kann die Bioökonomie preislich nicht mithalten. Das gilt übrigens grundlegend auch für die Felder, auf denen wir uns in der Bioökonomie bewegen. Wir brauchen industrielle Biotechnologie und geeignete Pflanzen, um die Bioökonomie zu realisieren.

Heißt das also, dass Sie die grüne Gentechnik nach Deutschland zurückholen wollen?

Wir werden dieses Dogma der Gentechnikfreiheit nicht aufrechterhalten können. Wenn wir gentechnisch veränderte Pflanzen von vornherein ausschließen, verlieren wir international den Anschluss. Das Schlimme daran ist der Verlust an Wissen. Es ist ja nicht so, dass auf diesem Feld nichts passiert, es passiert nur nicht bei uns.

Die Verbraucher akzeptieren aber keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel, und viele Bürger möchten keine solchen Pflanzen auf dem Acker.

Ja, das ist so. Aber eine Bioökonomie wird ohne grüne Gentechnik einfach nicht auskommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.