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Pfiffige Biederfrau

■ „Die Spieler wissen, wer der Boß auf dem Rasen ist“: Gertrud Gebhard wird die erste Linienrichterin in der Fußball-Bundesliga

Hirschaid (taz) – Nein, eine Feministin ist Gertrud Gebhard nicht, obwohl sie heute beim Spiel Schalke – Kaiserslautern in das Allerheiligste der deutschen Männlichkeit einbricht: Die Fußball- Bundesliga. Zwar nicht an der Pfeife, aber immerhin an der Linie. Das hat noch keine vor ihr geschafft.

„Mir ist egal, ob ich männlich oder weiblich bin, bei uns Schiedsrichtern geht es nur nach Leistung“, verkündet gebetsmühlenartig die 33jährige Verwaltungsangestellte, die sich seit 1980 in der Schwarzkittelhierarchie nach oben gearbeitet hat: „Alle zwei Jahre bin ich aufgestiegen. In der Bundesliga zu pfeifen, ist zwar das Schönste, was ich mir vorstellen kann, aber es ist unwahrscheinlich, daß ich das jemals schaffe.“ Der Bamberger Bundesliga-Schiedsrichter Helmut Fleischer, in dessen Gespann sie an der Linie steht, gibt ihr recht: „Von 25 Regionalliga- Schiedsrichtern steigen nur zwei jährlich auf. Da ist es verdammt hart, da müßte sie schon die besten Noten haben.“

Trotzdem traut Fleischer seiner zwei Jahre älteren Kollegin aus dem oberfränkischen Hirschaid alles zu: „Im Pokal haben wir es gesehen, der Unterschied von der Regionalliga zur zweiten Bundesliga ist gar nicht so groß. Und wer in der zweiten Bundesliga pfeifen kann, kann es auch in der ersten Liga.“ Daß Gertrud Gebhard am letzten Wochenende in Sandhausen ein Spiel abgebrochen hat, irritiert ihn nicht: „Wenn ein Linienrichter eine Bierdose an den Kopf bekommt, hätte ich auch Schluß gemacht.“ Und Gebhard läßt sich nicht auf der Nase herumtanzen: „Am Anfang brauchte ich noch gelbe Karten, um mich durchzusetzen. Heute schaue ich den Spielern in die Augen, und sie wissen, wer der Boß auf dem Rasen ist.“

Auf den Plätzen gilt sie immer noch als Exotin, und die Zuschauerzahlen steigen, wenn sie aufläuft. Der Sexismus auf den Zuschauerrängen kann sich dann ungeniert austoben: „Ich möchte nicht wiedergeben, was mir da oft entgegenschallt, aber die Spieler werden ja auch beleidigt. ,Zurück an den Kochtopf!‘ ist noch das Mildeste.“

Eigenfüßig kickt Gebhard nicht mehr, die Verletzungsgefahr ist ihr zu groß. Früher ging sie noch als offensive Mittelfeldspielerin für den SV Hallstadt auf Torejagd, jetzt pfeift sie nur noch Frauenteams, wie bei der WM in China. Damals konnte sie unbefangen auftreten, damit wird es heute abend vorbei sein. Sie wird die Objektive im Nacken spüren, und das mag sie, die nicht nur die öffentlichkeitsscheue Biederfrau mimt, sondern auch ist, gar nicht. Bevor sie mit Reportern redet, geht sie lieber in den Wald, um Kondition zu bolzen: „Wir Frauen sind läuferisch nicht so stark wie die Männer, aber deshalb müssen wir so schnell und ausdauernd wie möglich sein.“

Die meisten Trainer können sich eine Frau in der Bundesliga vorstellen: „Ist doch toll, wenn sich Frauen durchsetzen“, meint KSC- Coach Winnie Schäfer, „wir sind schließlich nicht in der katholischen Kirche.“ Nur der Dortmunder Meistertrainer Ottmar Hitzfeld ist strikt dagegen: „Ich bin nicht gegen Gleichberechtigung, aber es spielen ja auch keine Frauen mit.“ Hitzfeld zum Trotz wird der DFB-Slogan „Seid fair zum 23. Mann“ irgendwann umgeschrieben werden müssen.

Vielleicht wird eines fernen Tages dann auch die bescheuertste aller blöden Fragen nicht mehr gestellt: Wo Frau Gebhard denn nach dem Spiel dusche? Sportkamerad Fleischer klärt auf: „Mit uns zusammen natürlich. Das ist so natürlich wie in der Sauna, da trägt man ja auch keinen Wintermantel.“ Manfred Otzelberger

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