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Pfannkuchen mit Ameisen

Eine gesunde Mischung aus „Ungewöhnlichem, Schockierendem und Schönem“: Das Kopenhagener Museum „Ripley's Believe it or not!“ präsentiert allerlei alltagsfremde Exponate  ■ Von Christian Blees

Am Anfang eines bis heute weltweit wohl einmaligen Museumskonzepts stand jene neuartige Zeitungsseite voller Cartoons, die ein gewisser Robert Ripley ab 1918 für den New York Globe gestaltete. Auf ihr skizzierte der US- amerikanische Zeichner unter dem Titel „Believe it or not!“ (Glaube es oder glaub's nicht!) einzelne Zeitgenossen bei der Ausübung ungewöhnlicher, meist sportlicher Leistungen. So erfuhren die Leser zum Beispiel von einem Mann, der die 100 Yards rückwärts in 14 Sekunden lief.

Die neue Rubrik kam bei den Lesern sehr gut an, und so begann Ripley schon bald, die Suche nach Skurrilem auch auf Gebiete außerhalb des Sports auszudehnen. Zugute kam ihm dabei seine Reiseleidenschaft, die den umtriebigen Cartoonisten im Laufe seines Lebens mehrmals um den Globus führte. Egal, ob in Südamerika, im afrikanischen Busch oder in China – stets stieß der „Forscher“ auf neue sensationelle Dinge, die er seinen Leser näherbrachte.

Auf dem Höhepunkt seiner Popularität in den dreißiger und vierziger Jahren erhielt Robert Ripley von seinen Fans täglich rund 3.000 Schreiben zugeschickt, die meisten davon mit Hinweisen auf absonderliche Dinge und Personen. So konnte er bereits 1933 eine Sammlung der ausgefallensten Gegenstände aus der ganzen Welt öffentlich auf der Chicagoer Weltausstellung präsentieren. Die meisten von ihnen gibt es auch heute noch in irgendeinem der knapp zwei Dutzend „Ripley's“-Museen zu bewundern, die als Folge der seinerzeit herrschenden „Ripleymania“ bis heute in den USA, Europa und Australien entstanden sind. Seit Ripleys Tod im Jahre 1949 fungieren die einzelnen Museen quasi als Nachlaßverwalter, wobei jeder einzelne Ableger eine eigene, individuelle Zusammenstellung ungewöhnlicher Exponate beherbergt. Gemeinsam ist ihnen allen lediglich das Versprechen, jeweils eine gesunde Mischung aus „Ungewöhnlichem, Schockierendem und Schönem“ zu präsentieren.

Als erste Anlaufstelle für deutsche Interessenten bietet sich dabei aufgrund ihrer geographischen Nähe die „Ripley's“-Dependance in Kopenhagen an, nur wenige Schritte vom berühmten Vergnügungspark „Tivoli“ entfernt. Seit Juli 1992 strömen jährlich etwa 250.000 Schaulustige durch die engen Gänge des im Inneren phantasievoll gestalteten Kuriositätenkabinetts, um sich anhand der von Robert Ripley in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragenen Gegenstände, Fotos und Filmaufzeichnungen in den Bann des Außergewöhnlichen ziehen zu lassen. Im Foyer des Kopenhagener Museums beispielsweise fällt der erste Eindruck mit dem größten Pinsel sowie dem größten Reifen der Welt noch recht harmlos aus, während sich der weitere Gang durch das Gebäude für zartbesaitete Gemüter mitunter bis hin zur Tor- Tour entwickeln mag. So kann man in (von Ripley selbst gedrehten) Filmaufnahmen Angehörige eines fremden Volkes dabei beobachten, wie diese begierig eine Art Pfannkuchen verspeisen, geschmacklich verfeinert mit lebenden (!) Ameisen. Und wenige Schritte weiter wartet bereits der nächste „Leckerbissen“: ein original ecuadorianischer Schrumpfkopf, den ein offensichtlich humorvoller Ripley-Fan einst mit dem Vermerk an sein Idol schickte, doch „bitte gut darauf aufzupassen. Ich glaube, es ist ein Verwandter von mir!“

Alles in allem erweist sich das Schlendern durch die oft recht aufwendig hergerichteten Kulissen jedoch als ebenso vergnüglicher wie spannender Spaziergang zu exotisch anmutenden Orten und Menschen, zumal sich die gruseligen Exponate problemlos umgehen lassen. Und so mancher Besucher läßt sich sogar dazu animieren, eines der Ausstellungsstücke durch eigene Höchstleistungen noch zu überbieten. Wie etwa Kurt Lofquist aus Kopenhagen, der im dortigen „Ripley's“ als Ausstellungsstück Nr. 145 eine Nadel entdeckte, durch deren Öhr ein ehrgeiziger US-Amerikaner insgesamt 93 Fäden gezogen hatte. Lofquist ruhte nicht, ehe er es mit einer ähnlichen Nadel auf 204 Fäden brachte. Diese ist seit November 1992 als Exponat Nr. 145 B zu besichtigen – believe it or not!

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