piwik no script img

Pfähle oder Knöllchen?

■ Jäger: Weniger Pfähle gegen wilde Parker / Brepark will der Polizei „Politessen“ ausleihen / Teures Forschungsprogramm in den Sand gesetzt

Der Wirtschaftssenator macht sich Sorgen um die Zahl der Parkplätze im Viertel. Claus Jäger hat einen Brief an die Bausenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte geschrieben, ihm sei bei einem Besuch bei den Viertel-Kaufleuten zu Ohren gekommen, daß die arge Sorgen wegen der Parkplatzsituation nach der geplanten Verkehrsberuhigung hätten. Die Parkplätze sollen nämlich weniger werden. Dort, wo der Bürgersteig durch illegal parkende Autos so eng zu werden droht, wird, daß kein Kinderwagen mehr durchkommt, sollen massive Eisenpfähle am Kantstein das Parken verhindern. Das Programm heißt „1.000 Pfähle für's Viertel“. Weil „die Akzeptanz sinkt“, solle man nicht „den Zorn der Bevölkerung schüren“, schreibt Jäger. Deshalb müßte vielleicht das 1.000-Pfähle-Programm nochmal überdacht werden.

Nachfrage bei den Kaufleuten: Norbert Caesar von der Interessengemeinschaft Viertel, von Anfang an in die Planungen einbezogen, war beim Treffen mit dem Wirtschaftssenator dabei: „Nö, mit den Pfählen hab ich keine Probleme. Wir Kaufleute sehen das Programm zwar auch kritisch, aber wenn die Anwohner das haben wollen, dann sollen sie . Das ist ja mit allen möglichen Seiten zuende diskutiert.“

Daß die Anwohner für die Reduzierung von Parkplätzen sind, das ist mittlerweile sogar wissenschaftlich nachgewiesen.

Das Bundesverkehrministerium hatte eine umfangreiche Studie zum „Parken im Steintor“ in Auftrag gegeben. Mehr als zwei Jahre lang haben VerkehrswissenschaftlerInnen die Situation des ruhenden Verkehrs in einem hochverdichtetetn und innenstadtnahen Stadtteil am Beispiel des Steintors ermittelt. Sie haben lange Interviews geführt, haben anhand der Kennzeichen ermittelt, wer zu welchen Zeiten in den Wohnquartieren parkt, haben in unzähligen Arbeitsgruppensitzungen gemeinsam mit VerkehrsexpertInnen, BehördenvertreterInnen, Anwohnern diskutiert, wie man die Straßenränder von Parkplätzen in fußgängerfreundliche Zonen verwandelt – das Projekt war ein Millionending, allerdings ein folgenloses. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen war zum Beispiel ein Viertelparkplatz am Weserstadion, doch dafür war genauso wenig Geld da, wie für alle anderen Ideen. Die Gelder aus dem Bundesministerium sind in Bremen buchstäblich versackt. Allein übriggeblieben: das 1.000-Pfähle-Programm.

Falsch Parken ist an den meisten Ecken Bremens so gut wie risikolos: Vor Jahren waren es noch vierzig ÜberwacherInnen, damals hatte es die Zielzahl 60 gegeben, mittlerweile ist Bremen bei rund 30 ÜberwacherInnen für das gesamte Stadtgebiet gelandet.

Frankfurt zum Beispiel ist ungefähr genauso groß, beschäftigt aber weit mehr als 200 ÜberwacherInnen. Und als in Hamburg drei größere innenstadtnahe Gebiete mit einer Anwohner-Parkbevorrechtigung für andere Autos zum Parken gesperrt wurde, da wurden parallel 15 ÜberwacherInnen eingestellt. In Bremen ist da seit Jahren Fehlanzeige, mehr als 30 gibt es nicht. Der Grund: Mehr Knöllchenabrechnungen kann der Großrechner des Rechenzentrums nicht verkraften. Der müßte zuerst nachgerüstet werden. Zu einer Privatisierung hat sich die Stadt andererseits auch nicht durchringen können. Das ist es, was Peter Rienäcker, Chef der Bremer Parkplatz GmbH fordert. Die Brepark könne doch die Überwachung übernehmen. So sperrig der Senat in dieser Frage auch ist, ein bißchen Unterstützung hat die Brepark doch. Karin Röpke, Sprecherin des Bauressorts: „Die Privatisierung liegt voll auf unserer Linie.“ J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen