: Petition für harte Fälle
Die CDU in Niedersachsen hält eine Härtefallkommission in Flüchtlingsfragen für unnötig, weil es ja den Petitionsausschuss gibt. Aber auf dessen Vorsitzenden, der der CDU angehört, soll gerade von Vietnamesen ein Attentat verübt worden sein
Aus HannoverKai Schöneberg
Er hatte „nie damit gerechnet, zur Zielscheibe zu werden“. Aber nach dem „Vorfall“ mit den gelockerten Radmuttern an seinem Mercedes ist Klaus Krumfuß doch „ein bisschen geschockt“. Vom „ersten Anschlag auf einen niedersächsischen Landtagsabgeordneten“ war in der vergangenen Woche die Rede – und vielleicht könnte er von den fünf „Vietnamesen“ verübt worden sein, die dem CDU-Abgeordneten Krumfuß bereits im April drohten. „Wenn ich weiter so entscheide, dass ihre Landsleute abgeschoben werden, käme ich bald nicht mehr nach Hause“, sollen sie den ehemaligen Polizisten Krumfuß damals angerempelt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen unbekannt.
Politisch ist das 17-köpfige Gremium, dem der 54-jährige vorsitzt, derzeit tatsächlich unter Beschuss. Heute berät die SPD-Fraktion darüber, wie eine Härtefallkommission künftig humanitäre Lösungen für Flüchtlinge erleichtern könnte. Bislang kümmert sich darum der Petitionsausschuss, der in Niedersachsen mit neun Abgeordneten der CDU, sechs SPDlern und je einem von FDP und Grünen besetzt ist. „Es geht um Mehrheiten“, sagt Heidi Merk, SPD-Ausschuss-Sprecherin – und genau die fehlen ihrer Partei. Sie habe „noch nie erlebt, dass der Petitionsausschuss gegen Empfehlungen des Innenministeriums entschieden hat“, so Merk.
Es sei ihm „schon nah gegangen, als die Grünen im Mai eine Familie aus Sri Lanka sogar mit in den Landtag brachten“, entgegnet CDU-Mann Krumfuß. Aber: „Wir müssen uns an Recht und Gesetz halten und können nicht nach Gefühl und Wellenschlag urteilen.“ Die Petition der Flüchtlinge auf Bleiberecht wurde damals mit den Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.
Wenn misshandelten Frauen oder Kindern, die ausschließlich in Deutschland groß geworden sind, die Abschiebung droht, soll eine Härtefallkommission auch nach Ansicht der Grünen dafür sorgen, dass sie aus humanitären Gründen noch einen Aufenthaltsstatus bekommen: „Wir wollen das Thema bewusst aus der Politik raushalten und in die Hände von Experten geben“, sagt Georgia Langhans, die migrationspolitische Sprecherin der Partei, die die Kommission in der kommenden Woche auf die Agenda des Landtags gesetzt hat.
Es sei „unverständlich, warum der Innenminister eine Konsultation von fachkompetenten Verbänden und Flüchtlingsorganisationen so sehr fürchtet“, erklärte inzwischen der niedersächsische Flüchtlingsrat, der einen Sitz im Gremium abonniert hätte. Da habe es „ganz den Anschein, als wolle die Landesregierung die Anwendung der Härtefallregelung des neuen Gesetzes auf wenige Fälle beschränken und sich dabei bewusst gegen Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Flüchtlingsräte abschotten“.
Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat sich bereits gegen eine Härtefallkommission ausgesprochen, weil sie nur einen weiteren Rechtsweg für Betroffene öffne. „Wir reden hier über fünf oder sieben Fälle im Jahr“, der bürokratische Aufwand für eine Kommission wäre viel zu hoch, sagte der Minister. Stattdessen ist Schünemann dafür, den CDU-dominierten Petitionsausschuss zu stärken. Das Gremium könne sich doch „in Einzelfällen über die Rechtslage hinwegsetzen und dem Innenminister eine Ausnahmegenehmigung für Ausländer, die sonst kein Bleiberecht mehr hätten, nahe legen“, hatte CDU-Innenexperte Hans-Christian Biallas vorgeschlagen. Das Innenministerium habe ja auch die Möglichkeit, eine Abschiebung sechs Monate lang auszusetzen, wenn die Betroffenen sich nicht strafbar gemacht hätten und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen könnten.