Peter Tauber nach seiner Krankheit: Der Überlebende
Als CDU-Generalsekretär verteidigte er Merkel, erkrankte schwer – und überlebte. Jetzt inszeniert sich Peter Tauber auf Instagram als befreiter, vitaler Mensch.
Tauber – Jeans, Hemd, Dreitagebart – ist unterwegs in seinem hessischen Wahlkreis. Seit einem halben Jahr ist er nicht mehr der Generalsekretär der CDU. Nicht mehr Merkels Mann im Adenauer-Haus. Der 43-Jährige ist jetzt Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Und – das vor allem – er ist am Leben.
Im vergangenen Winter, mitten in den Koalitionsverhandlungen, war Tauber plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Statt ihres alerten Generalsekretärs trat überraschend die Kanzlerin ans Mikrofon und wünschte Peter Tauber gute Besserung. Da sah alles noch nach Routine aus: eine Darmentzündung, die halt ein bisschen Zeit brauchen würde. Was Merkel nicht wusste: Es würde Komplikationen geben. Auf eine schließlich doch anberaumte Operation sollte eine Not-OP folgen, irgendwann ging es um Leben oder Tod.
Als Tauber danach wieder bei sich war, stand Angela Merkel an seinem Bett und sagte: „Du wirst jetzt erst mal gesund.“ Im Februar präsentierte sie die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Generalsekretärin.
Anstand, Zuverlässigkeit, Zusammenhalt
Für Peter Tauber, den Bescheidwisser, Hochleister und Marathonläufer, waren die Wochen in der Klinik und in der Reha eine Übung in Demut. „Es gab Momente auf der Intensivstation, da dachte ich: Ich muss sterben“, erzählt er von dieser Zeit. Und dass er seinen Arzt im Berliner Bundeswehr-Krankenhaus gefragt habe: „Warum habe ich das? Der hat geantwortet: Fragen Sie mich das ernsthaft? Bei dem Stress, den Ihr Job mit sich bringt?“
Hinter Tauber lagen zu diesem Zeitpunkt vier Generalsekretärs-Jahre, die mit einer groovy Parteireform (Mehr Junge! Mehr Frauen! Mehr Migranten!) begonnen und mit einem 33-Prozent-Desaster bei der Bundestagswahl geendet hatten. Dazwischen: die sogenannte Flüchtlingskrise, das Erstarken der AfD und die Selbstdemontage des Koalitionspartners SPD. Schließlich allein im letzten Jahr vier – gewonnene – Landtagswahlen und der von Tauber organisierte Bundestagswahlkampf. „Hau ab!“-Geschrei auf deutschen Marktplätzen, viel Aggression und Fremdenhass, parteiinterner Streit und Krach mit der CSU. Und immer weniger von dem, was Tauber für konservativ hält: Anstand, Zuverlässigkeit, Zusammenhalt. Am Ende brach er zusammen.
Peter Tauber
Als die Große Koalition Anfang dieses Jahres mühsam zusammengestoppelt war, wurde Peter Tauber Parlamentarischer Staatssekretär bei Ursula von der Leyen. Den Entschluss, sich den Defender zu kaufen, sagt er, habe er noch im Krankenhaus gefällt. „Meine Mutter hat gesagt: So ein Auto brauchst du doch nicht. Ich habe geantwortet: Stimmt, ich will’s aber trotzdem.“ Das Monsterauto sieht aus, wie es heißt: als müsse sich sein Fahrer verteidigen, wappnen. Innen der hohe Sitz und das schwarz genarbte Leder, außen das pechschwarze Metall, der irrsinnige Lärm und der Ölgeruch.
„Zu verteidigen gab es in den letzten vier Jahren genug. Ich habe viel abgekriegt, was eigentlich der Chefin galt“, versucht Peter Tauber eine Erklärung. Und dann erzählt er, was für eine „heilige Wut“ er im Wahlkampfsommer 2017 auf die Merkel-Pöbler gehabt habe. Als „schlimmes Verhalten gegenüber einem Menschen“ habe er das empfunden. „Es gab Momente, da habe ich mich mal müde oder resigniert gefühlt. Dann kam Angela Merkel und hat von dem berichtet, was sie so zu tun hat. Und ich dachte: Reiß dich mal zusammen, sie hat es schwerer.“
Frauennamen für Bundeswehr-Kasernen
Dass Peter Tauber so offensiv Team Merkel war, hat ihn durchaus unbeliebt bei deren Kritikern in der Partei gemacht. Er wusste, das er den Posten des Generalsekretärs nicht würde behalten können. Und irgendwann wollte er auch nicht mehr. „Ich bin gern Abgeordneter für meine Heimat“, sagt er, „aber vier Jahre Generalsekretär wollte ich nicht noch mal sein.“
Seine Aufgaben im Verteidigungsministerium sind im Grunde vergleichbar mit denen im Konrad-Adenauer-Haus. Er kümmert sich um Personalfragen, um Tradition und Diversity, um Cyber- und Informationstechnologie. In der Zeit hat er vorgeschlagen, Bundeswehr-Kasernen auch nach Frauen zu benennen. Er scheint wieder in seinem Element zu sein. Konservativ, modern, loyal – so möchte er wahrgenommen werden.
Der Vorschlag der neuen CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer (er nennt sie „Annegreat“), eine Dienstpflicht für junge Menschen einzuführen, passt perfekt in Taubers Weltbild. Das Wie müsse man natürlich noch „vertieft diskutieren“, sagt er. „Aber die Betonung der sozialen Komponente finde ich angesichts einer bedenklichen Entwicklung in unserem Land richtig.“ Tauber meint damit die gesellschaftliche Entsolidarisierung: Immer weniger Menschen wollten ehrenamtlich arbeiten, die Empathie für Schwache nehme ab.
„Die Wehrpflicht brauchen wir allerdings nicht wieder“, findet der Oberleutnant der Reserve, der von sich selbst sagt, er habe „als Abiturient, der alles besser wusste“, der Bundeswehr viel zu verdanken. Ein erster Schritt zur Akzeptanz für das geplante Dienstjahr wäre seiner Meinung nach, dass der Bund die Stellen von Bufdis und FSJ-lern all jenen finanziert, die zu einem freiwilligen Dienst bereit sind.
Exzessives Gerenne als Dienstsport
Tauber lenkt seinen röhrenden Defender in eine Parklücke und stellt den Motor ab. Vor ihm liegt still der Obermarkt von Gelnhausen in der grellen Mittagssonne. Hinter den Puppenstuben-Fassaden ragt der Turm der Marienkirche. Oben am Hang wohnt Tauber im Haus seiner Familie. Vieles hier kennt man von seinem Instagram-Account.
Im Netz macht er sich seit dem Abschied vom Konrad-Adenauer-Haus noch sichtbarer als früher. Auf den Bildern inszeniert er sich als freien, nachgerade befreiten Mann. Postet Bilder aus dem Camp Marmal in Afghanistan, wo er Bundeswehrsoldaten besucht. Dann wieder Pizza, Landschaften, ein Bild mit seinem Vater beim Fußball. Natürlich sein Auto, den schwarzen Defender, im Wald.
Und immer wieder Lauffotos. Bei flirrender Hitze in Afghanistan. In morgendlicher Kühle im Berliner Tiergarten. Nassgeschwitzt und immer noch unwirklich schmal nach einem 22-Kilometer-Lauf im Spessart. Gerade erst aus der Reha entlassen, ist er im Juni bei einem Achtzig-Kilometer-Lauf gestartet. Ja, das habe sein gemusst, sagt er. Und dann diesen Satz: „Ich will mein normales Leben zurück.“
Peter Tauber ist schon lange ein Läufer. Der Unterschied zu früher ist, dass das exzessive Gerenne nun, als Verteidigungsstaatssekretär, wie Dienstsport wirkt. „Wenn ich als Generalsekretär laufen war, haben sie gesagt: Der hat wohl nichts zu tun.“ Er kennt natürlich die Theorie, dass Läufer vor etwas weglaufen könnten. Was wäre das also bei ihm? „Kann schon sein“, antwortet Tauber, „aber es nützt halt nix – man kommt doch irgendwo an.“
Peter Tauber eilt durch die heiße Stadt, grüßt links, grüßt rechts. Er möchte die Kirche zeigen, seine Marienkirche, deren drei spitze Türme die Silhouette der Stadt prägen. Nach seiner Rettung hat er sich deren Koordinaten eintätowieren lassen. Die Tür schwingt auf. Rechts vom Hochaltar mit seinen fantastisch geschnitzten Figuren steht der Taufstein. Peter Tauber bleibt stehen. Er lächelt. Er ist jetzt ganz still.
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