: Peter Stein will Theater schließen
Der Theaterregisseur und langjährige Leiter der Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer beziehungsweise Lehniner Platz, Peter Stein, hat sich im Hinblick auf die Vereinigung Berlins für eine Straffung der Theaterlandschaft in diesem Raum ausgesprochen. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle diese Institutionen, wie sie jetzt bestehen, einfach nur so fortbestehen werden, rein schon ökonomisch“, sagte Stein in einem Interview der Ostberliner Zeitung 'Neues Deutschland‘ vom Freitag. Polemisch zugespitzt würde er sogar antworten, wenn man ihn nach seinem Konzept für das Gesamtberliner Theater fragen sollte: „Schließen!“
Er wisse, daß man sich damit natürlich ins eigene Fleisch schneidet. „Man muß um jede Mark und jeden Pfennig, der für das Theater ausgegeben wird, kämpfen.“ Aber er sei nun mal jemand „mit widerstreitenden Empfindungen: Hoffnung und Pessimismus gegeneinander“. Durch den Vereinigunsprozeß erwarte er „keine besonders strahlende Zukunft für das Theater“.
Die Vereinigung Deutschlands habe im übrigen auf dem Theatersektor längst stattgefunden. Dem westdeutschen Theater wachse jetzt nichts Besonderes zu. „Aus dem einfachen Grunde, weil die DDR-Regisseure ja schon seit Jahren hier den Markt verderben. Sie arbeiten alle hier.“ Das einzige, was ihn jetzt interessiere, „und da bin ich ganz brutal und egoistisch, ist, daß das Schauspielerpotential der DDR zur Verfügung steht, auch für andere Orte innerhalb Deutschlands“.
Es werde jetzt zu persönlichen Begegnungen mit DDR -Schauspielern kommen können. „Das sind ja diejenigen, die nicht rüberdurften, wenigstens zu 99 Prozent. Mit Ausnahme einer Handvoll Privilegierter, die mir übrigens immer suspekt waren.“ Andererseits sei es vielleicht auch sehr gut für Theaterleute aus dem bisherigen Westdeutschland, „in Verhältnissen zu arbeiten, wie sie in der DDR existieren und auch noch weiter existieren werden“.
Zum Verhältnis der Schaubühne zur DDR sagte Stein, das Theater habe dort einen sehr treuen Publikumsstamm, „übers Fernsehen und über unsere kleinen, wenigen Gastspiele“. Stein wies darauf hin, daß er niemals bei einem der DDR -Gastspiele dabei gewesen sei. „Ich bin niemals rübergegangen. Das hatte immer seine Gründe. Ich habe diese Gastspiele nicht abgelehnt, aber ich habe mich geweigert, selber dort zu erscheinen. Aufgrund von Zensurmaßnahmen, die stattgefunden haben in meinen Programmheften, und all solche Geschichten. Ich bin ja sehr, sehr über Kreuz gewesen mit den Kulturverwaltern der DDR bis dato. Das ging ja so weit, daß ich nicht einreisen durfte. Niemals - natürlich wie immer - begründet.“ Auf der KSZE-Konferenz in Budapest 1986 sei er von DDR-Kulturfunktionären sogar öffentlich als Idiot beschimpft worden, weil er den Vorschlag gemacht habe, den Kulturaustausch von den Künstlern selbst statt von den staatlichen Stellen organisieren zu lassen.
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