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Pet Shop Boys

Am Anfang der vergangenen Dekade geisterte das geflügelte Wort vom peinlichsten Lieblingsstück durch die Reihen der Spex-Leser und anderer musikbegeisterter Kopfmenschen im Allgemeinen. Zuerst lag Nena mit 99 Luftballons und dem Pirat-sein-lassen in den Ohren, später sprang man zwischen flotten Stock/Aitken/Waterman-Nummern und diversen WM-geprüften Nationalhymnen im intimsten Geschmacksurteil umher. Die Pet Shop Boys haben dabei die meisten vergessen, wohl auch, weil sie mit ihren Songs weiter gegangen sind, von der Peripherie der ästhetischen Distanz ins Zentrum des kollektiven Unterbewußten.

Wie Yesterday oder Angie oder Beatles/Stones-Songs im Allgemeinen summt das erinnernde Ohr ihre Lieder vor sich hin in stillen Stunden wie auch im Trubel des verkaufsoffenen ersten Samstag im Monat, den ihre Melodien streßfrei gestalten.

Dort wo konsumiert wird, schaffen die Pet Shop Boys den verbindenden Soundtrack dazu. Als Stimulanz bei Marks & Spencer, im Kaiser's Drugstore oder mit permanentem Beat im Schuhgeschäft an der Kantstraße. Kaufhausmusik als Hymne an das Leben. Die Biografie des Hitduos ist angefüllt mit der Einsicht, daß der Gebrauchswert lebenswert ist. »Shopping«, ob in Japan oder auf der Carnaby Street, die Pet Shops haben überall den Konsum zu lieben gewußt.

Man kann sie auch nachts genießen, vorrangig vor Jahren schon in Schwulendiscos Off-Broadway und den gängigen Treffs an der Tottenham Court Road. Damals sangen sie von East-End Girls und West-End Boys, für die noch alles schnell und vergänglich erschien und eine aufgetrennte Pulsader zum Life-style gehörte. Dann fanden Neil Tennant und Nick Lowe zum ewigen Warenfluß (dem, der außer der Liebe fließt) und tauschten im Stück »Rent« Liebe gegen Wohnung, zumindest für deren Finanzierung — »I love you and you pay my rent«. Damit wurden sie ersteinmal weltweit berühmt, es lohnt kaum, die Namen der Lieder zu wiederholen, jeder mögen sich an sein Gesummtes erinnern.

Selbst das Altern ist ihnen im Gegensatz zu anderem Popvolk gestattet. Die Texte, die Neil Tennant zartstimmig in unnachahmlichem anglizistischen Englisch, nein Britisch auf den vergangenen zwei beiden Platten verkündet, zeugen davon. Sie sind so groß, so schön, so wahr und so ähem reif geworden, daß zwischen mancher leicht dahingeworfenen Melodie und dem Lauf einer Gesangszeile eine Welt offenliegt, wie sie sonst nicht der Pop-Art zugetraut wird: »as an indication/ change the dedication/ from revolution/ to revelation«. Umbenennen, den Revolutionsepos durch eine Träumerei austauschen, der Song »My October Symphony« stellt Schostakowitsch vom Kopf der Kultur mit beiden Beinen ins Leben zurück, und sei es nur für sechs Minuten Popewigkeit, amen. Vom Kitsch zur Kunst und wieder zurück sind wohl nicht viele bisher gereist. Momentan sind die Pet Shop Boys auf Tournee. Harald

Die Pet Shop Boys spielen um 20.00 Uhr in der Deutschlandhalle.

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