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Perus Aufschwung durch expansive Ausgabenpolitik

■ Aber trotz bedingtem Schuldendienst–Boykott droht durch die Konjunkturpolitik eine leere Devisenkasse / Vorerst kann Präsident Garcia Wachstum und neue Arbeitsplätze vorweisen / In der Modernisierung der Wirtschaft keinen Schritt vorangekommen / Die eigene Landwirtschaft kann die Versorgung nicht sichern

Aus Lima Wolf Stock

In Lima, der Stadt des ewigen Frühlings, scheint die Wirtschaftslage nicht mehr ganz so trostlos wie noch vor wenigen Jahren und auch nicht wie ringsum in den Nachbarländern. Mit einem Wirtschaftswachstum von 8,5 % im letzten Jahr, dem höchsten Lateinamerikas, und einer auf 63 % halbierten Inflationsrate steuert Perus Wirtschaft auf Erholungskurs. Mit einer expansiven öffentlichen Ausgabenpolitik hat die seit zwei Jahren amtierende sozialdemokratische Regierung einen Konsumboom stimuliert, der in diesem Jahrhundert seinesgleichen sucht. Perus Wirtschaft hat diese Atempause bitter nötig. Nach überdurchschnittlichen Wachstumsraten in den fünfziger und sechziger Jahren, kam die Wirtschaft bei der weltweiten Strukturkrise 1973 außer Tritt. Die Schuldenkrise führte das Land 1981 an den Rand des Bankrotts. Die monetaristischen Sanierungsversuche der konservativen Regierung Belaunde scheiterten, die Roßkur des Internationalen Währungsfonds (IWF) führte zur Verarmung der aufsteigenden Mittelschicht. Die Wiederbelebung der peruanischen Wirtschaft gelang dem 37jährigen Präsidenten Alan Garcia und seinem Premierminister Luis Alva Castro im wesentlichen durch Staatsintervention: Die Regierung pumpte mehr und mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf. Diese „Mexikanisierung“ der peruanischen Wirtschaft führte zur Konjunkturankurbelung beim Fischfang, in der Bauwirtschaft und der Industrieproduktion, der Devisenverkehr mit dem Ausland wird kontrolliert und die Landes währung Inti wird um monatlich 2,2 wie in Mexiko gibt es nun auch in dem Andenstaat einen gespaltenen Devisenmarkt mit zweierlei Wechselkursen. Auch die Bemühungen um Arbeitsplätze waren erfolgreich. Nicht nur im weiter aufgeblähten Verwaltungsapparat, sondern auch durch das PAIT (Programa de Apojo al Ingreso Temporal), einem Arbeitsbeschaffungsprogramm zur Stadtpflege und in sozialen Bereichen. Ansehnliche Kredite, etwa beim Häuserbau sowie eine Senkung der Zinsen sorgten für zusätzliche Wachstumsimpulse. Sogar 8.000 der gut 500.000 ambulanten Kleinhänd ler Limas wurden mit Kleinkrediten zwischen 70 und 700 DM bedacht. Es ist dies das erste Mal in der Geschichte der verarmten Andenrepublik, daß Fliegende Händler, die in den Straßen von der Rasierklinge bis zum chinesischen Wunderwässerchen schier alles feilbieten, von Staats wegen unterstützt werden. Garcias Vorgänger Belaunde hatte noch versucht, die Kleinhändler aus Limas Innenstadt vertreiben zu lassen. Ein Drittel aller Berufstätigen Limas verfügt über keine „geregelte“ Arbeit, und die Einbindung dieses informellen Wirtschaftssektors hat der Regierung Garcia besonders in den armen Volksschichten große Sympathien eingebracht. Mit einem Dekret fror die Re gierung die Preise der wichtigsten Verbrauchsgüter ein. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes werden nun alle Preise reguliert oder zumindest überwacht. All diese Maßnahmen führten zu einer allgemeinen Hebung der Kaufkraft, der interne Konsum wirkte als Konjunkturlokomotive. „10 Prozent“ nur Kraftmeierei International machte der charismatische Sozialdemokrat Garcia von sich reden, weil er Perus Gläubigerbanken und dem Währungsfonds den Fehdehandschuh hinwarf. Zwar akzeptierte seine Regierung die peruanische Außenschuld, so Garcia, doch wolle sie Zinszahlungen und Tilgung an einen binnenwirtschaftlichen Lei stungswert koppeln. Nur 10 % der Exporterlöse wolle er fortan an Zinszahlung und Schuldentilgung den Gläubigern überweisen. Obwohl diese Ankündigung eher rhetorische Kraftmeierei ist - in Wirklichkeit zahlt die peruanische Regierung etwa 27 Exporterlöse als Schuldendienst - so hat sich doch diese Taktik politisch als überaus klug erwiesen. Durch die Beschränkung des Schuldendienstes hat Garcia Spielraum gewonnen. „Die Mittel, die sonst abgeflossen wären, haben wir im Land in nationale Entwicklungsprogramme stecken können“, erklärte ein Regierungsvertreter. Darüber hinaus hat diese Maßnahme den Gläubigern in den USA und Europa klargemacht, daß es keine ökonomische sondern nur eine politische Lösung der Schuldenfrage geben kann. Für seine 14 Milliarden Dollar Gesamtschulden müßte Peru jährlich 1,3 Milliarden Dollar allein an Zinsen aufbringen. Bei 2,6 Milliarden Dollar Exporterlösen im Jahre 1986 würde so deren Hälfte nur für die Zinslast zu Buche schlagen, ganz abgesehen von den eigentlich auch noch zu zahlenden Schuldentilgungen. Mit ihrer Forderung nach Zinssenkung - jährlich 9 Satz - einer Streckung der Rückzahlung über Zeiträume von 50 oder 100 Jahren und einer Quotierung des Schuldendienstes hat die sozialdemokratische Regierung den Verhandlungsrahmen mit den Gläubigerbanken abgesteckt. Aus der Umgebung des populistisch orientierten Präsidenten werden darüber hinaus einfallsreiche Modelle angeboten. Sie reichen von Kompensationsgeschäften über den Aufbau von Freihandelszonen und Joint Ventures bis hin zur Umwandlung der Schulden in Risikokapital (sog. Schuldenswaps). Kehrseite: Leere Kassen Perus Konjunktursonne wirft allerdings auch manche Schatten. Die Staatskasse ist durch das Expansionsprogramm geplündert. Das Defizit der öffentlichen Ausgaben betrug im letzten Jahr bereits 8 während die Landwirtschaft darniederliegt. Die Folge: Lebensmittel werden knapp und müssen importiert werden. Die Exporte sind dramatisch zurückgegangen, eine Tatsache, die durch den Verfall der agrarischen und mineralischen Exportgüterpreise auf den Weltmärkten noch verschärft wird. Mit Garcias Importwirtschaft auf Pump wird sich auf lange Sicht nur wenig Staat machen lassen. In der Modernisierung der gesamten Breite der Güterherstellung, insbesondere bei der Überwindung des schwerfälligen internen Sektors und eines leistungsstarken Exportsektors ist die Regierung keinen Schritt vorangekommen. Im Gegenteil: Durch eine Aufblähung und Überbürokratisierung des Staatsapparates werden Mittel gebunden, die einem autarken und ausgewogenen Wirtschaftskreislauf später fehlen. Denn eins ist sicher: Die staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik Garcias kostet Geld, viel Geld. Die Währungsreserven sind fast aufgebraucht, allein um 700 Millionen Dollar ist diese Kasse im letzten Jahr erleichtert worden. Die internationalen Geldgeber haben den Kredithahn zugedreht. So wird sich in den nächsten Monaten zeigen, ob der Drahtseilakt des jungen Präsidenten zum Erfolg führen wird. Doppelte Netze gibt es jedenfalls nicht.

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