: Persilschein für Verfassungsschutz
■ Bundesinnenminister Zimmermann präsentiert weitreichenden Referentenentwurf als Neuauflage des „Sicherheitspakets“ / Koalitionskrach vorprogrammiert / FDP sträubt sich:“Entscheidender Rückschritt“
Bonn (dpa) – In der Bonner Koalition bahnt sich eine neue Machtprobe im Bereich der inneren Sicherheit an. Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) legte am Mittwoch neue Entwürfe für die sogenannten Sicherheitsgesetze vor, die nach einem heftigen Koalitionstreit in der vergangenen Wahlperiode nicht mehr verabschiedet worden waren.
Die Vorschläge stießen bei den Freien Demokraten prompt auf harsche Kritik. Sie hätten keinerlei Aussicht auf Verabschiedung. Verworfen wurden die Entwürfe auch vom FDP-geführten Bundesjustizministerium. Sie gingen noch „hinter das zurück“, was früher vorgelegt worden sei. Zimmermann sprach dagegen von einem insgesamt „ausgewogenen Gesetzespaket“. Bei den vom Bundesinnenministerium (BMI) vorgelegten „unverbind lichen Referentenentwürfen“ handelt es sich um die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, des Bundesverfassungsschutzgesetzes sowie die Schaffung eines „Verfassungsschutzmitteilungsgesetzes“.
Das Mitteilungsgesetz soll nach den BMI-Vorstellungen an die Stelle des ursprünglich geplanten Zusammenarbeitsgesetzes (ZAG) treten und den Informationsaustausch zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten regeln. Danach dürften Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) untereinander Daten austauschen; ebenso soll die Polizei (Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz und Länderpolizei) verpflichtet werden, den Nachrichtendiensten Informationen zu liefern.
Für den BND, der für die Auslandsaufklärung zuständig ist, soll in dem Gesetz erstmals eine rechtliche Grundlage geschaffen werden. Auf ein bislang geplantes selbständiges BND-Gesetz soll verzichtet werden. Nach dem Entwurf kann der Verfassungsschutz von jeder Behörde die Herausgabe von Daten verlangen und unter bestimmten Voraussetzungen auch selbst dort automatische Dateien oder Akten einsehen. Das BfV darf, so heißt es weiter, solche Daten im Rahmen seiner Aufgaben an in- und ausländische Behörden, Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte sowie in Ausnahmefällen auch an private Einrichtungen weitergeben.
Die FDP-Abgeordneten Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder und Manfred Richter meinten in einer Stellungnahme, die Vorschläge stellten praktisch die Aufhebung der Volkszählungsurteile für den gesamten Bereich der Polizei und der Sicherheitsdienste dar. Im Verfassungsschutzgesetz seien fast alle Schutzvorschriften entfallen. Nach den Worten des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Willfried Penner überschreitet der Entwurf für das Mitteilungsgesetz eindeutig verfassungsrechtliche Grenzen, weil das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten nicht berücksichtigt wird. Zimmermann wolle vielmehr „einen hemmungslosen Austausch von Informationen“ ermöglichen, sagte Penner der dpa. Auch in der Union wurde Unverständnis über Zimmermanns Vorstoß laut. Er wisse nicht, was den Minister veranlaßt habe, „unverbindliche Referentenentwürfe“ zu veröffentlichen, sagte der Berichterstatter der Arbeitsgruppe Innenpolitik der Unionsfraktion, Heribert Blens.
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