piwik no script img

Perlen&Säue

■ „Perlen der Kleinkunst“ in Schmidts' Volkstheater am Spielbudenplatz

Paul aus Berlin kriegt von Herrn Schmidt alias Corny Littmann zur Begrüßung einen Kuß auf die behaarte Hand. Im Schmidts geht's ran an den Speck, Die Perlen der Kleinkunst wirft der Imressario höchstpersönlich vor die geschätzten Säue im Publikum. Die Gnadenlosesten Variete-Nummern aus der Schmidt-Mitternachts-Show dürfen nun im Hauptprogramm der kommenden Wochen zu einem bunten Abend mit wechselnden Attraktionen zusammenwachsen. Der Nachwuchs kriegt eine Chance.

Ist Herr Schmidt nicht selbst ein Nachwuchs-Showmaster? Am Dienstag versuchte er es mal wieder auf die aktuelle Tour mit einem Blick in eine Tageszeitung — ohne spitze Konferencen. Dem Herrn in den lustigen Pantoffeln genügt das Horoskop und ein Bier aus der Kühltasche, fragend, ob nicht jemand einen Brösel zum Rauchen dabei habe. Hoppla, Herrn Schmidts private Legalize-It-Kampagne lappt beinahe ins Politische!

Dabei atmet er schon schwer genug, als er Swift und Speedey ankündigt, zwei Breakdancer, die zu miesem Sound eine Art Show üben und am Ende beim synchronen Auf-der- Schädeldecke-drehen fast noch überzeugen. Mit Herrn Schmidts T-Shirt-an-aus-Übungen geht's abermals ums Politische, sagt Littmann an, denn nun strahlen Bill Clinton und Al Gore als glücklich sich liebendes Paar vom Bauch dieses Herrn, der die Senatoren aufruft, die Schließung aller Staatstheater zu verfügen, damit sich die Säle wieder füllen.

Zum Beispiel mit den Zugpferden Lotte Trebeis und Coco Caramel? Im Mini-Kilt und schmuckem Ledergeschirr und in festem Schuhwerk trällern sie ihren Hit “Wir sind doof, aber süß“. Heftiges Gackern ernten die Damenimitatoren mit ihrer Inge Meysel-Parodie, oder wenn die Lotte die Steppnägeln hämmert, als gälte es, Galoppper des Jahres zu werden; dann wieder entstauben sie Kästner und treiben ein bißchen Safer-Sex-Aufklärung frei nach Sinatra.

Auch die „schwarze Perle“ fehlt nicht: Der Stuttgarter Kabarettist Hans Christian Hoth ist der gichtige Pastor, der sich des Aufstands der Nieten am Kirchenschiff barmt, daß er damit und mit errigiertem Zeigefinger problemlos ganze Kathedralen füllen könnte. Auch Nessi Tausendschön wird ihrem Ruf als überaus musikalische Komödiantin gerecht. Im Rahmen ihres Repertoires an Liebesliedern präsentiert sie ihre Variationen des alten Standarts „All of me“ nach Anneliese Rothenbergerscher Manier bis zum Schrei jenseits der Tonleitern.

Uli Paasch zupft aus seiner Klampfe 70er-Jahre-Partykeller-Atmo, und zu kantigem Tango darf beim Akrobatik-Duo Xest auch mal die Dame den Herrn in die Lüfte stemmen. Und das schickste Hemd des Abends trägt sowieso der Yoyo-Spieler Flivo, Los Trumpulos schrämmeln den Schlußakkord.

Aber, wie sagt Herr Schmidt: „Eine Show ist nur so gut wie ihr Publikum“. Jetzt heißt es also für alle Beteiligten auf und vor der Bühne: Üben, üben, üben. jk

bis 31. Juli im Schmidt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen