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Perfekt und zugenäht: The Who

Was wohl in den Köpfen des betagten Publikums vorgeht, während es Zeilen wie „Inside, outside, nowhere is home“ inbrünstig mitsingt und dazu die Fäuste reckt? „Quadrophenia“, das olle Ding, wurde wiederaufgelegt: Jimmys tristes Vorstadtleben, sein Trip nach Brighton, die Kämpfe zwischen Mods und Rockern an der Strandpromenade, ins Klassik-Rock-Format gegossen von den wiedervereinigten Who in der Berliner Deutschlandhalle. Eine Rockoper ist eben eine Rockoper, egal, was da an Inhalt transportiert wird. Und Meriten sind ja vorhanden. Nicht zuletzt The Who haben mit „Quadrophenia“ und „Tommy“ dafür gesorgt, daß ein paar Jahre später Punk losbrach.

Streng chronologisch spielen sie den Set durch. Jimmy führt via Leinwand (mit deutschen Untertiteln) durchs Programm, und wenn er „blasphemisch draufkommt“ oder „weder Anfang noch Ende kennt“, dann entbehrt das nicht einer gewissen Komik. Die Musik klingt so, als wolle sie schnurstracks auch von Oliver Bierhoff („Ich steh auf Rock“) und Sat.1 präsentiert werden. Perfekt und zugenäht, mit Bläserquintett, Hammondorgel und Keyboards, und The Who sind sich auch nicht zu schade, einen alternden Rocker und den coolen Ace Face einen peinlichen Vocal- und Dance-Battle aufführen zu lassen – hier grüßt die Augsburger Puppenkiste.

Es ist ales genau so, wie man es sich vorstellt, nur noch lebensechter: Roger Daltrey sieht aus wie ein Neuköllner Sonnenstudiobesitzer und schwingt immer wieder energisch sein Mikro wie ein Lasso, John Entwhistle immerhin ist in Würde gealtert, er macht hier einen Job und spielt stoisch seinen Baß. Und Pete Townshend scheint es nicht anders gewollt zu haben: Obwohl man bei ihm zumindest das Gefühl hat, daß er in irgendeiner fernen Zukunft wieder anderes macht, als die eigene Legende in klingende Münze umzuwandeln.

Bei den Zugaben, die The Who – übrigens nicht, wie vorher kolportiert, „auf Zuruf“ – spielen, entdecke ich dann im Publikum viele Robert-Pollard-Lookalikes, und die singen begeistert Zeile für Zeile von „Won't get fooled again“ mit.Gerrit Bartels

Foto: Roland Owsnitzki

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