: Pauschales Unrecht
■ Bürgerschaft debattiert über Deserteure
Alle Urteile der NS-Kriegsgerichte gegen die Deserteure des Zweiten Weltkrieges waren von Anfang an Unrecht; Die Wehrdienstverweigerer, Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“ sind grundsätzlich als Verfolgte des Nazi-Regimes anzuerkennen. Bremen soll sich im Bundesrat dafür einsetzen, daß diese Opfer entschädigt werden. Das hat gestern die Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD und Grünen beschlossen. Ein Antrag der FDP, der von der CDU unterstützt wurde und auf eine „Einzelfallregelung“ abhob, wurde von der Mehrheit abgelehnt.
Die Diskussion im Parlament bewegte sich entlang der Fraktionsgrenzen, an denen dieses Thema auch letzte Woche im Bundestag beraten wurde: Die Kernfrage ist dabei, ob die Militärgerichte Recht sprachen oder nur als Terrorinstrument der Nazis eingesetzt wurden. SPD und Grüne wollen die Feststellung, daß die Verurteilungen von Anfang an als Unrecht gelten und damit nichtig sind. „Wir wissen inzwischen, daß die Kriegsgerichte sich vorbehaltlos in den Dienst der NS-Ziele gestellt haben“, meinte Horst Isola für die SPD. „Während ein Offizier der Waffen-SS, dem in Ausübung seines Dienstes ein Gesundheitsschaden entstand, eine Rente erhält, bleibt den Opfern der NS-Militärjustiz und Hinterbliebenen mehrheitlich eine Versorgung versagt.“
Dieter Mützelburg von den Grünen wehrte sich gegen den Vorwurf einer „Glorifizierung der Deserteure“, doch mit Fahnenflüchtigen aus Armeen demokratischer Staaten seien die Opfer der NS-Militärjusitz eben nicht zu vergleichen: „Der Krieg war von Anfang an ein verbrecherischer Angriffskrieg, die Wehrmacht war Instrument der Nazis in diesem Krieg und führte seit 1941 einen Rassen- und Vernichtungsfeldzug im Osten, die Militärjustiz war das Instrument der Nazis zur Mobilmachung und Kriegsführung. Dieser Krieg war von Anfang bis Ende Unrecht. Unrecht aber kennt keinen Verrat.“
Während Hans-Otto Weidenbach für die DVU die erwartete Verteidigung des „deutschen Soldatentums“ gegen die „nationalmasochistische Nestbeschmutzung“ übernahm, wollten FDP und CDU dem Antrag von SPD/Grünen nicht zustimmen, sondern differenzieren. Nicht jeder Wehrmachtsrichter sei ein Blutrichter gewesen, nicht jedes Urteil der Gerichte habe einen Freispruch verdient, so Axel Adamietz für die FDP. Mützelburg dagegen: „Legen Sie vor, welche Urteile nicht als Unrechtsurteile gelten soll.en Wir dürfen von den Opfern, alten Menschen am Ende eines leidvollen Lebens, nicht die Beweispflicht fordern, die sie schon deshalb nicht erfüllen können, weil die meisten Unterlagen vernichtet sind.“ bpo
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