■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Paul, benimm' dich!
Also den Paule, den versteh ich nicht. Soll er sich doch freuen, dass er als Richter Kirchhof in der roten Robe nochmal dabei sitzen darf. Was hat er dagegen, dass die Bremer Schlachte so schön gemacht wird? Wieso sollen Stuttgarter Daimler-Arbeiter nicht was dafür zahlen, dass Bremer Kollegen hier samstags flanieren können? Kommt der denn nie selbst nach Bremen spazierengehen?
Sicher, unsere Häfen sind nicht so doll, ich fahre ja auch lieber nach Hamburg, wenn ich meinen Enkelkindern mal richtige große Schiffe zeigen will. Und wenn er da im Süden ne Container-Ladung Bananen braucht, dann geht das über Rotterdam billiger. Aber steckt denn kein Salzkrümel Nationalgefühl in dem Kerl? Bedeutet ihm ein deutscher Stempel auf einem deutschen Container nichts mehr?
Das mit der Einwohnerwertung kann ein Fremder nicht verstehen, das habe ich erst auch nicht verstanden. Da käme ich mir als halbe Portion vor, wenn mir gesagt würde, drei Bremer zählen wie vier Kirchhofs. Aber wir brauchen dieses Geld einfach für unsere große Stadt. Und die kommen nicht nur aus Syke und Kirchlinteln zu uns. Guck' dir mal die Kennzeichen der Reisebusse an, lieber Paul, die abends an der Wachtstraße anhalten, da staunste! Dass das bei der Steuerverteilung ein bisschen berücksichtigt wird, ist nur gerecht: Wenn man wohin fährt, muss man dafür zahlen.
Dass wir Bremer mit der Sanierungshilfe unseren Schuldenberg nicht weggekriegt haben, dafür können wir nun wirklich nichts. Alle waren so sparsam wie es eben ging. Die Schulden sind dabei nicht weniger geworden, das stimmt. Die Vorstellung, zehn Milliarden Mark Sanierungshilfe würden dafür reichen, war eben naiv. Mir zeigt das etwas ganz anderes: Bremen braucht die Sanierungshilfen eben. Auf Dauer!
Und da sollte man nicht bei lumpigen 126 Millionen Mark für unsere politische Elite knausrig werden. 126 Millionen Mark im Jahr dafür, dass die Stadt Bremen ein richtiges Bundesland ist, das ist gut angelegtes Geld. Die Bürgerschaftsabgeordneten würden das überhaupt nicht verstehen, wenn sie sich wie in Hannover immer abends treffen müssten. Und der Perschau, den hast du jetzt kennengelernt – ist das nicht ein Pfundskerl? Hat der verdient, dass er nur das Gehalt eines Stadtkämmerers verdient? Nimmermehr! Also, lass die frechen Zwischenfragen im Gerichtssaal, Paul, benimm dich!
Deine Rosi Roland
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