: Pauker für Primarschule
91 Grundschulleiter unterzeichnen einen Appell zur Unterstützung der Goetsch-Reform. Auch die Lehrerkammer ist dafür. In der Öffentlichkeit herrsche der Eindruck, als seien alle dagegen, sagte die Vorsitzende des Grundschulverbands
Der Zeitpunkt war gut gewählt. Gestern Mittag, kurz bevor die Volksinitiative „Wir wollen lernen“ im Schulausschuss erklärte, warum sie die Primarschule mit einem Volksbegehren verhindern will, veröffentlichte der Hamburger Grundschulverband einen Appell zur Unterstützung der Reform von GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch.
„Wir hatten das Gefühl, es ist an der Zeit so etwas zu tun“, sagt die Vorsitzende Angelika Fiedler von der Clara Grunwald Schule. „In der Öffentlichkeit herrscht der Eindruck vor, als seien alle dagegen“. Bergedorfer Schulen hätten deshalb einen Text aufgesetzt, der binnen drei Tagen von 91 Schulleitungen unterzeichnet wurde. Darin heißt es, dass seit Beginn der öffentlichen Debatte die Kritiker „ein großes Forum“ erhalten würden. Dadurch entstehe der Eindruck, dass alle Beteiligten an den Schulen diese Haltung teilen. Und weiter: „Wir wollen dem gegenüber ein Zeichen setzen und unser grundsätzliches Einverständnis mit dieser Reform kundtun“. Der von Senatorin Goetsch eingeschlagene Weg, Primarschulen einzurichten, sei „lange überfällig“. Auch wenn viele Grundschulen nicht zum Schuljahr 2010/11, sondern erst ein Jahr später 5. Klassen einrichten, würden sie trotzdem „mit aller Kraft für den Reformprozess arbeiten“.
Zu den Unterzeichnern gehören auch ein Gymnasium und drei Sonderschulen. „Die Zustimmung ist groß“, sagt Fiedler. Sie kann sich vorstellen, dass in den nächsten Tagen noch mehr Schulleitungen unterschreiben werden. Zuvor hatte am Wochenende die Hamburger Lehrerkammer eine neunseitige Stellungnahme abgegeben, die sich ebenfalls überwiegend positiv äußert. Die Kammer unterstütze das Bemühen, allen Schülern eine gute Lernumgebung zu verschaffen, heißt es dort. Viele Studien wiesen nach, dass das Misslingen von Bildungsprozessen eine „direkte Folge der frühen Selektion nach der vierten Klasse und der damit verbundenen Aufteilung in verschiedene Schulformen“ sei. Im Ergebnis führe dies dazu, dass ein unerträglich großer Anteil der 30 Prozent der 15-Jährigen zur so genannten „Risikogruppe“ gehöre. Wenn diese jungen Menschen mit oder ohne Abschluss die Schule verlassen, sei ihnen die sinnvolle Teilhabe an der Gesellschaft „verwehrt“.
Damit nimmt die Kammer indirekt Bezug auf die neue Debatte um Abschlusszahlen. Weil die Abbrecherzahl in 2008 auf 8,2 Prozent gesunken war, hatten einzelne Politiker die Reform für überflüssig erklärt. Doch das Problem ist damit nicht gelöst. Auch Schüler mit Hauptschulabschluss werden, wenn ihnen bestimmte Kompetenzen fehlen, von der Arbeitsagentur als nicht vermittelbar eingestuft.
Die Lehrerkammer übt ebenfalls Kritik. Zum Beispiel sollte man in Primarschulen auf äußere Leistungsdifferenzierung verzichten. Auch erscheint den Lehrern das aus drei Elementen bestehende Modell, nach dem die Gymnasiumsberechtigung vergeben wird, „wenig durchdacht“. Jedoch zeigt die Stellungnahme auch, dass viele Details, die die Öffentlichkeit nicht aufregen, wie die Einrichtung von Jahrgangsteams, von den Pädagogen gewürdigt werden. KAIJA KUTTER