: Parzellenkrieg der Bundesländer
Bei der Ansiedlung der Ländervertretungen auf dem Areal der einstigen Ministergärten hakt es. Einige Bundesländer sind abgesprungen, andere streiten sich noch um die Grundstücke ■ Von Rolf Lautenschläger
Stadtplanung, wie sie zu Zeiten des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm Praxis war, wird sich heute auf den ehemaligen „Ministergärten“ nicht mehr machen lassen. Um das langgestreckte Areal zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor zu besiedeln, hatte der preußische Monarch die Konten seiner Beamten und Adeligen am Hof „prüfen“ lassen und bei Guthaben eine Order zum schnellen Hausbau erlassen: „Der Kerl hat Geld, soll er bauen.“
Die sechzehn Landesfürsten, für deren Vertretungen in der Hauptstadt die früheren Ministergärten reserviert sind, haben es nicht so eilig mit dem Hausbau an der Ebertstraße. Obwohl die Zeit für die Umzugsplanung der Dependancen drängt, stehen die Bundesländer erst am Anfang der Verhandlungen über Grundstückskäufe, Parzellenaufteilung und die Gestalt der Architekturen.
„Um zum Umzugstermin von Regierung und Parlament in Berlin präsent zu sein“, sagt die Ministerialrätin Eva Maria Keuchel, die gemeinsam mit dem hessischen Staatssekretär Nobert Schüren die föderale Ansiedlung in der Hauptstadt koordiniert, sei es „zwingend“, daß die 16 Vertretungen bis 1999 eine feste Adresse an der Spree hätten.
In den Sitzungen der Länder im Januar und im Frühjahr sollen erste Nägel mit Köpfen für die 3,2 Hektar große Fläche gemacht werden, hofft Keuchel. Auf der Grundlage des Bebauungsplans von 1994/95, nach dem die Ländervertretungen als U-förmiges Ensemble von Stadtvillen entlang der Voßstraße, der Ebertstraße und der neu zu schaffenden Kleinen Querallee geplant sind, werde darüber verhandelt, wie die „Grundstücksparzellen geschnitten und verteilt“ würden.
Ein paar Fixpunkte der Planung haben die Länder schon „verabredet“: Die Stadtvillen – in Anlehnung an die einstigen Palais' der preußischen Beamten und Minister, die 1945 zerbombt und nach 1961 im Schlagschatten der Mauer abgerissen wurden – erhalten eine gemeinsame Traufhöhe, an den Ecken könnten Doppelhäuser entstehen, über „Gemeinschaftseinrichtungen“ wie eine Post oder eine Kantine wird nachgedacht. Schließlich will man zwischen den Hochhäusern am Potsdamer Platz und dem Pariser Platz mit dem angrenzenden Holocaust-Denkmal eine stadtverträgliche und keine künstliche Rolle spielen. Doch es hakt bei den Länderfürsten. Aus dem gemeinsamen Kampf um das Gelände, „das dem Bund abgetrotzt wurde“, wie Keuchel erinnert, sind Weggefährten ausgeschert. Die Länder Thüringen, Bayern und der Berliner Senat haben sich in der Stadt auf andere Standorte konzentriert.
Die Absetzbewegung von den Ministergärten hat Gründe. „Berlin besitzt genügend repräsentative Gebäude in zentraler Lage und in der Nähe von Parlament und Regierung“, erklärt Michael Butz, Staatssekretär beim Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen. Endgültig wolle sich das Land für die Niederlassung beim Bund aber erst nach der Volksabstimmung im Mai über die Fusion Berlin/Brandenburg entscheiden. „Dann werden wir mit den Brandenburgern eine Ländervertretung suchen“, so Butz. Diese werde „ziemlich sicher“ nicht in den Ministergärten liegen.
Neben den Bayern, die ein (zu) großes Haus in der zentralen Friedrichstadt für satte 50 Millionen Mark erwarben, sind auch die Länder Hamburg und Bremen fündig geworden. Die Hamburger liebäugeln mit einem Grundstück im Diplomatenviertel im Tiergarten, wo die Bremer Bürgerschaftsvertreter gerade eine Fläche in der Nähe des Landwehrkanals kauften. Bremens Staatsrat Erik Bettermann meint dazu nicht ohne Häme, daß Bremen damit raus sei „aus dem Parzellenkrieg in Berlin“.
Daß es Vorlieben für die großen Eckgrundstücke und internen Krach deswegen gibt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Nordrhein-Westfalen möchte an der Voßstraße Ecke Ebertstraße residieren, Niedersachsen ebenfalls. „Gleichzeitig reißt sich kein Bundesland darum, über die restlichen Bunkeranalagen von Hitlers Reichskanzlei ziehen“, erklärt Keuchel.
Schüren und sie selbst plädieren deshalb dafür, daß nicht nur gemeinsam debattiert wird, wieviel Länder in die Ministergärten übersiedeln und wie die Grundstücke zugeschnitten werden. Die beiden Länderkoordinatoren halten es darüber hinaus nur für gerecht, daß „bei konkurrierenden Fällen notfalls das Los entscheidet, wer welche Parzelle erhält“.
Zugleich haben die Landesfürsten Klärungsbedarf, weil der Standort noch über Jahre neben den Baugruben am Potsdamer Platz und hinter ein paar unromantischen Plattenbauten liegt, die das pure Gegenteil der Bonner Idylle darstellen. Auch die Kosten für die Grundstücke müssen noch mit dem Bund ausgehandelt werden. Bleibt die Ausweisung des Areals als „Sondernutzungsgebiet“ bestehen, könnte sich der Wert der Liegenschaften bei bezahlbaren 4.500 Mark pro Quadratmeter einpendeln.
Würde die Sondernutzung gekippt und der Verkehrswert als Maßstab angelegt, kämen ein paar tausend Mark pro Quadratmeter hinzu. Dann, so fürchten Stadtplaner, könnten die Länder den Spieß umdrehen und profitable Instituionen wie Banken oder Versicherungen dort einquartieren. Mit dem Regierungsstandort Ministergärten wäre es dann vorbei.
Ministerialrätin Keuchel setzt erst einmal auf die mögliche Ansiedlung ihrer hessischen Dependance in den Ministergärten. Hessen beabsichtige nach der Standortentscheidung einen beschränkten Architektenwettbewerb für die Ländervetretung auszuloben, um „alternative Vorschläge für die zukünftige Bebauung“ zu erhalten. Und kommen die Träume von den Ministergärten nicht schnell genug voran, könnten erst mal Altbauten oder angemiete Büros als Zwischenlösung dienen. Denn wer kein Geld hat, kann nicht bauen.
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