piwik no script img

Archiv-Artikel

Parteilose unwählbar

Verwaltungsgericht Münster weist Klage der freien Wählergemeinschaften Nordrhein-Westfalen ab: Unabhängige haben kein Recht, für Regionalräte und Landschaftsversammlungen zu kandidieren

von MARTIN TEIGELER

Unabhängige müssen draußen bleiben. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe ist nicht verpflichtet, die Reserveliste des NRW-Landesverbandes der freien Wählergemeinschaften (LWG) zur Wahl der Landschaftsversammlung zuzulassen. Dies entschied gestern das Verwaltungsgericht Münster: „Ebenso besteht keine entsprechende Verpflichtung der Bezirksregierung Münster hinsichtlich des Regionalrats.“

„Jetzt bleiben die Parteien unter sich und müssen keine Pfründe abgeben“, sagte LWG-Landeschef Harald Heck nach der Urteilsverkündung zur taz. Man prüfe weitere Rechtsmittel. Der LWG vertritt 112 Wählergemeinschaften, die in den Stadträten und Kreistagen des Landes vertreten sind. Bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2004 kamen diese Gruppen gemeinsam auf 108.000 Stimmen. Insgesamt gibt es in NRW rund 300 Wählergruppierungen. Doch während die bei der Wahl erfolgreichen Parteien proportional auch die politischen Entscheidungsgremien von Bezirksregierung (Regionalrat) und Landschaftsverband (Landschaftsversammlung) besetzen, bleiben die Wählergemeinschaften bislang außen vor.

Laut NRW-Recht können Vertreter von „Parteien und Wählergruppen“, die bei der jeweils vorherigen Kommunalwahl gewählt wurden, für die fünf Regionalräte und zwei Landschaftsversammlungen kandidieren. Der Landesverband der LWG sei aber keine „hierfür erforderliche Wählergruppe“, so das Gericht. Er sei keine Gruppe von Wahlberechtigten, sondern ein Zusammenschluss von Wählergruppen. Seine Mitglieder verfolgten „keine gemeinsamen politischen Ziele“, so die Verwaltungsrichter.

„Das ist eine Missachtung“, sagte Rechtsanwalt Matthias Kurbjuhn, der die LWG in Münster vertrat. Die freien Wählergemeinschaften stünden für eine parteifreie Politik – dies allein sei schon ein gemeinsames politisches Ziel. „Wenn die Wählergemeinschaften keine Wählergruppe im Sinne des Gesetzes sind, wer ist es denn dann?“, fragte Kurbjuhn und beklagte den Umgang mit freien Wählern im größten Bundesland. In Nordrhein-Westfalen akzeptierten die Parteien keine Konkurrenz. „Es ist absurd, die freien Wähler von den Regionalräten auszuschließen“, sagte Daniel Schily vom Verein Mehr Demokratie zur taz. Gerade in den Regionalräten würden politische „Big Points“ gemacht, unabhängige Mandatsträger müssten deshalb mitentscheiden.

Nicht bewerten wollte das Gericht eine mögliche Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verfahrens zur Bildung von Landschaftsversammlung und Regionalrat. Das derzeitige proporzmäßige Wahlprozedere leitet sich aus den Ergebnissen der NRW-Kommunalwahlen ab (siehe Kasten). Aus einer ausstehenden Grundsatzentscheidung über das Wahlsystem der Regionalparlamente könne aber der LWG keine eigenen Rechte auf Zulassung seiner Reserveliste herleiten, so das Gericht.