Parteiinterner Streit über Homöopathie: Grüne einigen sich auf Verschiebung

Den Streit über alternative Heilverfahren haben die Grünen beendet – vorerst. Eine Kommission soll bis Ende 2020 eine Lösung erarbeiten.

Hand hält ein Gefäß mit Globuli

Die vermeintlich sanfte Alternative: Globuli Foto: Eric Gaillard/reuters

BERLIN taz | Die Grünen haben sich im Streit um eine Haltung zur Homöopathie auf einen Kompromiss geeinigt. Statt einer konkreten Position sieht der am Montagabend veröffentlichte Beschluss ein Verfahren vor, um eine Lösung zu erarbeiten. Bis zum übernächsten Parteitag im November 2020 soll eine Kommission aus Gesundheits- und Wissenschaftspolitikern sowie Parteiführung und Antragstellern eine Positionierung dazu vorlegen, ob die umstrittenen alternativen Heilmethoden weiterhin von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. „Externe Experten“ sollen dabei helfen.

Über die getroffene Einigung, die eine dauerhafte Lösung verschiebt, müssen jetzt die Delegierten auf dem diesjährigen Parteitag ab dem 15. November abstimmen.

Stimmen sie dem Papier zu, soll sich die geplante Kommission dann an mehreren Leitfragen orientieren. Die holen teils recht weit aus. So heißt es im Text etwa: „In welchem Spannungsverhältnis stehen evidenzbasierte Wissenschaft und ein ganzheitlicher Gesundheitsbegriff?“ Noch grundlegender wird gefragt, wie die Grünen den Wissenschaftsbegriff in der Medizin überhaupt definieren wollen.

Der Beschluss ist damit aus wissenschaftstheoretischer Sicht mindestens ambitioniert – kommt der Grünen-Parteispitze aber durchaus recht. Denn auch wenn eine dauerhafte Lösung nicht gefunden, sondern bloß verschoben wurde, ist das Thema Homöopathie zunächst entschärft. Die Parteispitze war zuletzt deutlich bemüht, eine Eskalation des Streits auf dem Parteitag Mitte November zu verhindern. Das scheint gelungen, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schrieb auf Facebook von einem „konstruktiven Dialog“ und einem „guten Kompromiss“.

Erleichterung bei der Parteispitze

Man darf das durchaus als Erleichterung interpretieren. Denn das Thema birgt Sprengstoff: Viele WählerInnen und Mitglieder der Grünen vertrauen auf Globuli und sehen in den Zuckerkügelchen eine vermeintlich sanfte Alternative zur Schulmedizin. Andere sind skeptisch – und berufen sich dabei auf zahlreiche Studien, die keine Wirksamkeit von homöopathischen Verfahren nachweisen konnten. „Homöopathische Mittel allein wirken nicht gegen die Beschwerden, gegen die sie empfohlen werden“, schreibt etwa die renommierte Helmholtz-Gemeinschaft. Homöopathie-Verbände verweisen indes auf andere Studien, die das Gegenteil belegen sollen.

Anlass für den jüngsten internen Streit um das Thema war ein Vorstoß von über 250 Mitgliedern im Oktober gewesen. Sie hatten einem Antrag für den Parteitag im November dieses Jahres unterschrieben, in dem sie forderten, die Finanzierung der Homöopathie über die Krankenkassen zu beenden. Die Mittel seien erwiesenermaßen nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksam. Andere Grüne wollen indes bei der Kassenfinanzierung bleiben.

Mit dem nun gefundenen Kompromiss können wohl beide Seiten leben. Paula Piechotta, Grünen-Politikerin, Ärztin und erklärte Homoöpathie-Gegnerin, äußerte sich am Dienstag auf Twitter etwas versöhnlich: Wichtig sei es, über das Thema zu diskutieren. „Wer sich schon vor dieser Debatte wegducken wollte, der muss über Regierungsfähigkeit gar nicht erst reden.“

Ob die geplante Homöopathie-Kommission allerdings tatsächlich eine Lösung erarbeiten kann und auf dem Parteitag 2020 anschließend eine Mehrheit für ihr Ergebnis findet – unklar.

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