Parlamentswahlen in Frankreich: Macrons Mehrheit wackelt
Das Lager des Präsidenten liegt nach den Parlamentswahlen hauchdünn vor dem Bündnis des Linken Mélenchon. Die Wahlbeteiligung sinkt auf ein Rekordtief.
Die meisten Kandidat*innen der bisherigen regierenden Mehrheit haben nicht sonderlich gut abgeschnitten. Premierminister Elisabeth Borne allerdings hat in ihrem Wahlkreis in der Normandie mit mehr als 34 Prozent der Stimmen gute Aussichten für die Stichwahl, doch andere der 15 kandidierenden Regierungsmitglieder gehen mit einem beträchtlichen Rückstand in die zweite Runde.
So geht der bisherige Europaminister Clément Beaune am kommenden Sonntag in Paris mit geringen Chancen in das Wahlduell gegen eine linke Kandidatin. Der frühere Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer ist als Kandidat sogar auf Anhieb aus der Stichwahl ausgeschieden.
Dagegen liegt die „Neue Ökologische und Soziale Volksunion“ (NUPES) mit 25,7 Prozent gleichauf mit der Allianz der Regierungsparteien „Ensemble!“ („Zusammen!“) von Macron, die 25,8 Prozent erzielt hat. Die Kandidaten des Rassemblement National der Rechtspopulistin Marine Le Pen fallen im Landesdurchschnitt mit rund 19 Prozent auf die dritte Stelle zurück, und die Konservativen, Les Républicains und Verbündete, können sich mit 11,4 Prozent noch halten.
Macrons Mehrheit schrumpft
In der Mehrheit der 577 Wahlkreise, wo je ein Sitz in der Nationalversammlung zu vergeben ist, kommt es eine Woche später zu Stichwahlen. Zur Sitzverteilung aufgrund der Resultate der ersten Runde liefern die Umfrageinstitute aber bereits Schätzungen: Macrons bisherige Parlamentsmehrheit dürfte demzufolge ziemlich schrumpfen.
Statt bisher 347 Sitze könnten die Regierungsparteien laut dem Sender BFM nur noch zwischen 258 und 298 Mandate erringen. Die absolute Mehrheit, die Macron das Regieren erleichtern würde, liegt bei 289. Die NUPES könnte in derselben Hochrechnung 170 bis 220 Sitze bekommen. Damit würde sie ihr hochgestecktes Ziel, selbst eine Mehrheit gegen Präsident Macron zu erobern, zwar verfehlen, aber zweifellos einen Achtungserfolg erringen und zur wichtigsten Kraft in der Opposition werden.
Marine Le Pens RN hatte bisher nur 4 Sitze und kann nun mit bis zu 65 Abgeordneten rechnen. Sie selbst triumphierte in ihrer nordfranzösischen Wahlhochburg Hénin-Beaumont mit 54 Prozent. Ihr rechtsextremer Rivale bei den Präsidentschaftswahlen, Eric Zemmour, schied dagegen in einem Wahlkreis bei Saint-Tropez in Südfrankreich als Dritter aus der Stichwahl aus. Seiner Partei „Reconquête“ werden null Sitzgewinne vorausgesagt.
Historisch tiefe Wahlbeteiligung
Etwas besser als befürchtet haben die konservativen Kandidaten von Les Républicains und die mit ihnen verbündeten Zentristen der UDI abgeschnitten. Die Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy steckt in einer Existenzkrise. Von ihren bisherigen 100 Sitzen könnten sie nun mehr als die Hälfte oder sogar bis zu 80 retten. An sie dürfte sich Präsident Macron wenden, falls er in einer Woche keine absolute Mehrheit mehr haben sollte und deswegen Unterstützung oder Koalitionspartner braucht.
Noch ist vieles offen. Denn die Wahlbeteiligung ist mit 47,5 Prozent auf einen historischen Tiefpunkt gesunken, der in den französischen Medien bereits als Armutszeugnis für die Demokratie gewertet wird. Alle für die Stichwahlen qualifizierten Sitzbewerber*innen hoffen deshalb, dass vor allem sie ihre Sympathisanten in den kommenden Tagen mobilisieren können. Auf eine wirkliche Dynamik setzt die NUPES, die sich selbst zur Etappensiegerin erklärt hat. Ihre Resultate bestätigen, dass Dank der wiedergefundenen Einheit die Linke in Frankreich wieder eine politische Hauptrolle spielen kann.
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