: Papst und Feminismus
betr.: „Sein Kreuz mit den Frauen. Papst Johannes Paul II. geißelt den ‚weltweiten Feminismus’ und rechnet mit der Gender-Theorie ab“, taz vom 31. 7. 04
Die Probleme mit dem völlig überbordenden Feminismus im Vatikan sind spätestens mit Erscheinen des neuesten Ratzinger-Papiers nicht mehr zu leugnen …
Im Ernst: eine Institution, die es zum einen befürwortet, dass Frauen Führungsaufgaben übernehmen, nachdem sie zuvor als Gebärmaschine und Aufzuchtsanstalt zuverlässig ihren Dienst verrichtet haben, Frauen aber selbst Führungsaufgaben in ihrer Institution verweigert, hat jedes Recht verwirkt, diese Forderung aufzustellen. So viel zur Berechtigung des Papiers. Dass die katholische Kirche so einige Probleme mit den Geschlechterrollen hat, ist aber nicht zu übersehen. Jegliche Schlacht, die sie auf diesem Feld geschlagen hat – sprich: den Kampf für das Heimchen am Herd, der Kampf gegen die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften – hat sie zumindest in den aufgeklärten Demokratien weitgehend verloren. Und das ist auch gut so. […] Mit ihrem jetzigen Gesellschaftsbild verliert sie in aufgeklärten Demokratien just den Einfluss, um den sie eigentlich bangt.
Zudem halte ich den Zeitpunkt des Papiers nicht für einen Zufall: Ratzinger hat m. E. schnell ein Papier in die Diskussion gebracht, um von den Zuständen in St. Pölten und seiner dort vom Vatikan selbst durchgeboxten Bischofs-Fehlbesetzung abzulenken. Der Vatikan soll sich um die Kinderpornografen in seinen Reihen kümmern, in St. Pölten aufklären, Krenn beiseite räumen und seine Probleme lösen, eh er Ansprüche an andere formuliert. Da hat er genug zu tun. Und den Feminismus kann er gerne der aufgeklärten Welt überlassen, der er nicht zuzurechnen ist. INGO KINDGEN, Bergheim
betr.: „Dienen ist das Glück der Frau“, taz vom 2. 8. 04
Eines kann man wohl Kardinal Ratzinger nicht unterstellen: Denkunfähigkeit. Und ein weiteres: eingeschränkten Blick auf Europa in seinem Amt bei einer Weltkirche. Das uneinheitliche Echo auf das von ihm verfasste „Papstpapier“ – aus dem jeder das Seine herauszulesen können glaubt – lässt auch andere Schlüsse zu als die vorgebrachten. Der Text könnte auch ein Versuch sein, die Würde der Frau im 21. Jahrhundert zu beschreiben. Und dies im Hinblick auf Ost, West, Nord und Süd.
Hätte der Kardinal hirnphysiologisch argumentiert, wie es in Europa jetzt mehr und mehr aufgrund des Fortschritts bei entsprechenden Forschungen geschieht, wären die Reaktionen wahrscheinlich anders ausgefallen. Vielleicht zum Nachteil einer Diskussion im Sommerloch, die mit einer anderen Frage fortgesetzt werden könnte, zum Beispiel: „Welchen Beitrag können Frauen leisten, um aus der Ödnis männlich-abstrakten Denkens heraus in eine kreative Gesellschaft hineinzukommen?“ GISELA VON CANAL, Ulm