■ McCash Flows Orakel: Papiertiger
Kaum steigt der Dollar ein paar Pfennig, geht an der deutschen Börse die Post ab - nach einem sowohl metereologisch als auch börsenklimatisch völlig desolaten Wonnemonat hat sich in den letzten Maitagen das Kursniveau erhöht. Die unerwartete Dollar–Stabilität brachte vor allem Automobilwerte voran - von einem Ende des seit über einem Jahr laufenden Seitwärtstrends kann freilich keine Rede sein, denn daß die Talfahrt des Dollars schon abgeschlossen ist, dagegen spricht nahezu alles. Der als Barometer der amerikanischen Konjunktur geltende Sammelindex der Frühindikatoren ist im April (nach Zunahmen in den beiden Vormonaten) so stark gesunken wie seit zwei Jahren nicht mehr, und von dem Konjunkturpaket, das Nakasone dem venezianischen Gipfel als Friedensangebot zur Ankurbelung der Weltwirtschaft offeriert, wird auch nicht allzuviel zu erwarten sein. Noch ist völlig unklar, wie die 6–Billionen– Yen–Spritze überhaupt finanziert werden soll, und vieles deutet daraufhin, daß Japan einmal mehr nur einen Papiertiger losläßt. (Die japanischen Investitionen in USA haben sich 1986 vervierfacht.) Der Dollar wird also höchstwahrscheinlich weiter kränkeln und ist als Stimmungsmacher in deutschen Börsensälen nicht mehr als ein brüchiger Grashalm. Aber immerhin: ein Retter in der Not, denn immer noch will kein ausländischer Anleger massenhaft deutsche Aktien kaufen, auch wenn man sich hierzulande den Mund fusselig redet, wie spottbillig sie seien. Und mit inländischem Kapital allein bewegt sich nahezu nichts, denn im Unterschied zu ihrer amerikanischen Kollegin kauft die deutsche Hausfrau alles, nur keine Aktien.
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