■ QUERBILD: Palookaville
Es gibt Filme, die einem das Gefühl einer bestimmten Jahreszeit vermitteln können. Shadows von John Casavetes ist ein Film für einen Winternachmittag in der Stadt, und das Kinodebüt von Alan Taylor, Palookaville, hat auf seine Weise eine ähnliche Wirkung. Dazu muß Palookaville nicht im Dezember spielen. Es geht dabei vielmehr um eine bestimmte Mattheit des Lichts, um Szenen an verhangenen Tagen und in der Dunkelheit. Vor allem aber lebt diese Stimmung von dem Verhältnis, das Palookaville zu seinen Hauptfiguren aufbaut – von einer Nähe, die nicht ganz verwirklicht wird, das Publikum aber doch so sehr beteiligt, daß wir uns nach einer größeren Vertrautheit sehnen, als sie der Film schließlich leisten kann.
Diese Hauptfiguren sind Russ (Vincent Gallo), Jerry (Adam Trese) und Sid (William Forsythe), drei arbeitslose Twens, die sich als Kleinkriminelle versuchen. Beispielhaft für ihren Erfolg werden sie im Prolog anstelle eines Juweliergeschäfts die angrenzende Bäckerei aufbrechen. Kurz darauf verpassen sie die Gelegenheit, einen Geldtransporter auszuräumen. Statt dessen bringen sie den kollabierten Fahrer ins Krankenhaus und das Geld zum Besitzer zurück. Weder total entmutigt noch in ihrem Plan bestärkt, richtige Gangster zu werden, pendeln sie nun zwischen zwei Verdienstquellen: entweder ein Supermarkt-Fahrdienst für alte Leute oder doch den scheinbar unkomplizierten Überfall auf den täglichen Geldtransport?
Im ruhigen Wechsel von Komik und Alltagstragik erzählt Palookaville viel über jeden einzelnen der drei. Bei allen geht es um die Spannung zwischen Wunschvorstellung und Realität, und entscheidend für die sich auch darüber entwickelnde Nähe zu Russ, Jerry und Sid ist neben der hervorragenden Besetzung die detailreiche Inszenierung der Charaktere, ihrer Beziehungen und ihres Alltags. Das alles geschieht in einem ruhigen Rhythmus und einem Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Distanz. Über dieses Zusammenspiel entwickelt sich schließlich jene seltsame Dezember-Stimmung. Dabei zu sein und zugleich außen vor.
Jan Distelmeyer Abaton, Zeise
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen