Press-Schlag: Palermo in Aufruhr
■ Örtlicher Fußballclub nicht nur korrupt, sondern auch pleite
„Ghaddafi, Ghaddafi“, hallten die Rufe in den Gassen Palermos, der siebtgrößten Stadt Italiens. Tausende von Jugendlichen zogen durch die Straßen, zündeten Mülltonnen an, verwüsteten Telefonzellen, stürzten Autos um und schrien sich ihren Zorn von der Seele. Die Hilfe des Libyers wurde aber keineswegs gegen die Umtriebe der Mafia die dunklen Machenschaften der Politiker oder die Schikanen der Polizei angefordert. Es ging um den örtlichen Fußballclub, vor einigen Jahren noch erstklassig, vor kurzem schlicht aufgelöst. War der sizilianische Zweitligist beim Prozeß um den Totoskandal der letzten Saison mit fünf Strafpunkten noch glimpflich davongekommen, so machte ihm die Mißwirtschaft seiner Funktionäre endgültig den Garaus. 30 Millionen Mark Schulden hatte der Club in den letzten Jahren angehäuft und so den Unmut des italienischen Fußballverbandes auf sich gezogen, der es ohnehin für angebracht hielt, der Verschwendungssucht in der italienischen Liga endlich einen Dämpfer zu verpassen. Daß er sich dafür ausgerechnet das Armenhaus Italiens aussuchte, das ohnehin stets neidvoll auf die reichen Städte des Nordens mit ihren geldschweren Fußballclubs aus Turin und Mailand blickt, mußte für böses Blut sorgen. „Eine Stadt wie Palermo darf nicht ohne Fußball sein“, tönte ein Sizilianer namens Bettino Craxi. Die ehemalige Bürgermeisterin Elda Pucci stellte fest, daß die Reichen am Sonntag ihre Schiffe und Pferde hätten, die Armen hingegen nichts als den Fußball. Der Druck der Straße ließ den Fußballverband nicht unbeeindruckt. Inzwischen wird erwogen, den Verein wenigstens in der dritten Division neu starten zu lassen. Matti
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