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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Bewahrer finsterer Traditionen

WAHLSIEGER Der Jubel über den ersten IOC-Präsidenten, den der deutsche Sport hervorgebracht hat, hält sich in Grenzen – zu Recht

Es ist wieder ruhig in Deutschland. Der Alltag ist zurückgekehrt nach einer Nacht der Extase, in der sich Tausende freudetrunkener Männer und Frauen jubelnd in den Armen lagen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist ein Mann aus Deutschland zum Sportpapst gewählt worden. Was? Sie haben nichts mitbekommen davon, sich an keiner Spontanfeier in Schwarz-Rot-Gold beteiligt? Nicht ärgern, Sie haben keine Party versäumt. Den Menschen ist es scheißegal, dass Thomas Bach zum neuen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees gewählt worden ist. Kaum einer interessiert sich wirklich für den neuen Führer der Jugend der Welt.

Mit dem neuen IOC-Präsidenten verbinden sich keinerlei Hoffnungen. Sein Motto im Rennen um die Präsidentschaft lautete „Einheit in Vielfalt“. Mit der hohlen Phrase konnte er all diejenigen im IOC hinter sich scharen, für die es nichts Schlimmeres gibt als Veränderung. Sie haben mit Thomas Bach einen Mann des „weiter so“ gewählt, einen Verwalter, einen Anti-Reformer, einen von gestern. Zwar weiß Bach, dass er es schaffen muss, wieder mehr Staaten und Städte für den Olympismus zu begeistern, dass es dem olympischen Sport gut bekäme, wenn sich wieder mehr junge Menschen für die Spiele begeistern würden. Doch eine Revolution des Sports von oben ist von ihm nicht zu erwarten.

Er ist gewählt worden, weil man ihm zutraut, genug Öl-, Gas- und Oligarchenmilliarden heranzuschaffen, um den Sport genauso weiterführen zu können, wie das bislang gemacht wurde. Die Unterstützung, die ihm der stinkreiche kuwaitische Sportmulti Ahmed al-Sabah zuteil werden ließ, ist deshalb gut angekommen bei den IOC-Mitgliedern. Die Funktionärskaste ist sich sicher, nur mit der Hilfe solch scheinbar freigebiger Typen die Zukunft ihrer ermüdenden Bewegung sicherstellen zu können.

Bach ist keiner, der aktiv ein Ende des olympischen Gigantismus fordert, keiner, der Doping als Problem anspricht, auch wenn es gerade keinen positiven Test bei einem prominenten Sportler gibt, keiner, der sich dafür einsetzt, sportliche Großereignisse nur an Länder zu vergeben, die ein Mindestmaß an bürger- und menschenrechtlichen Standards garantieren. Er ist einer jener Sportfunktionäre, die – ohne rot anzulaufen – sagen können, dass Sport nichts, aber auch gar nichts mit Politik zu tun hat, während gerade in Brasilien Hunderttausende auf die Straße gehen, um dagegen zu protestieren, wie das IOC das Land und Rio de Janeiro, die Olympiastadt von 2016, regelrecht erpresst. Er wird auch keine Probleme haben, die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi an der Seite von Russlands Präsident Wladimir Putin zu eröffnen, ohne ihn auf die homophobe Gesetzgebung in dessen Staat auch nur anzusprechen. Nein, ein Grund zu feiern ist die Wahl Thomas Bachs wahrlich nicht. ANDREAS RÜTTENAUER