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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Jeföhl, dat verbingk

KÖLLE II Das Problem des Klubs ist ein Präsident, dessen Name Synonym für den FC geworden ist

Overath ist als prägende Figur dominanter als Beckenbauer bei den Bayern

Mach mal beswingt, sagt der Kollege am Telefon, und unsereiner Eingeschneiter grübelt kurz, was denn damit gemeint sein könnte. Beswingt – ist dies tatsächlich das richtige Adjektiv für den ErstenFCKöln, den Fußballklub, der nach eigenem Selbstverständnis einer der besten der Welt ist? Mach mal Köln! Das ist kein Kolumnenauftrag, sondern ein gordischer Knoten, weswegen es vielleicht nicht schlecht ist, sich dem FC aus der Perspektive eigenen Erlebens zu nähern, jener Beobachtung vom zweiten Weihnachtsfeiertag des letzten Jahres etwa, als unsereiner in der tiefsten Winterpause über den Eigelstein ging und aus einer Kneipe der Länge nach hinfiel.

Der Soundtrack zur formvollendeten Havarie zwischen den Jahren war „Mer stonn zu Dir“ von den Höhnern. Die Zeilen, die die Kölner Band dem Klub widmet, gehören zweifelsohne zu den schönsten, die das deutsche Fußball-Liedgut zu bieten hat. Denn sie handeln nicht nur von Glanz und Glorie des ruhmreichen FC Overath, nein, sie beziehen ausdrücklich das tiefe Leid ein, dass die Anhängerschaft durch die Ränkespiele am rheinischen Hof erfahren hat.

„Iehrefeld, Raderthal, Nippes, Poll, Esch, Pesch un Kalk/üvverall jitt et Fans vom FC Kölle/en Rio, en Rom, Jläbbisch, Prüm un Habbelrath/üvverall jitt et Fans vom FC Kölle/Freud oder Leid, Zokunft un Verjangenheit/e Jeföhl, dat verbingk – FC Kölle/Ov vör, ov zoröck – neues Spiel heiß’ neues Jlöck/e Jeföhl, dat verbingk – FC Kölle/Mer Schwöre Dir he op Treu un op Iehr: Mer stonn zo Dir FC Kölle/un mer jon met Dir, wenn et sin muss, durch et Füer/halde immer nur zo Dir FC Kölle!“

„Mer stonn zu Dir“! Auch wenn der Herr am Eigelstein eine etwas eigenwillige Interpretation rheinischer Standfestigkeit ablieferte – solche Zeilen verraten viel über das Selbstverständnis der Anhängerschaft und die lange Zeit der Wurstelei, die bisher ja noch immer ohne Konsequenzen geblieben ist. Sicher, Moneten-Meier (Manager) ist raus aus dem Spiel, vor anderthalb Wochen zogen die Klubgewaltigen die Konsequenzen. Doch das Skandalon, das der Geschichte zugrunde liegt, ist nicht etwa die lange Duldung von Meiers Trial-and-Error-Prinzip am Fuße des Rheins – es besteht vielmehr darin, dass Meier überhaupt sein Lager im Rheinland aufschlagen durfte. Meiers Empfehlung waren angehäufte Schulden mit Borussia Dortmund, einem Klub, der Jahre und Aki Watzke im Verbund mit Kloppo Klopp brauchte, um sich von der Verschwendungsherrschaft seiner Machthaber zu erholen.

Duldsamkeit – es scheint eine Kölner Tugend zu sein. Doch die Gründe für diese Duldung liegen nicht etwa in der Hoffnung auf eine wundersame Erlösung von allem Leiden nach katholischem Brauch, wie Köln es ja so gern zelebriert. Sie dürften vielmehr darin liegen, dass der Klub einen Präsidenten hat, dessen lange Karriere die Meistertitel samt WM-Gewinn umspannt – und der gewissermaßen synonym mit dem Klub gesetzt wird.

Denn entgegen mancher Annahme ist der 1. FC Köln ein junger Klub, dessen Gründung nicht etwa an der Schwelle des 20. Jahrhunderts, sondern in der Nachkriegszeit stattfand. Das ersparte den Kölnern einerseits manchen historischen Ballast. Auf der Gegenseite führte es dazu, dass Wolfgang Overath als prägende Figur noch dominanter ist als Franz Beckenbauer bei den Bayern. Bei der letzten Jahreshauptversammlung verweigerte man dem Vorstand die Entlastung. Doch zur Revolution kam es nicht. Denn Overath abzusetzen hieße gewissermaßen, dem FC die Seele rauben. Das geht erst recht im Rheinland nicht, da steht man dann lieber in Liga zwei zusammen. STEFAN OSTERHAUS