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PRESS-SCHLAGMißlungene Dressur im Tenniszirkus

■ Die Profi-Tennisspieler müpfen auf

Es war während der US Open im August in New York, als auf einem Parkplatz vor der Tennisanlage von Flushing Meadow ungewöhnliche Dinge vor sich gingen. Dort, wo sonst Nobelkarossen aus Detroit hin- und herrollen, tummelten sich an die hundert schwerreiche Jünglinge und hielten eine Gewerkschaftsversammlung ab. Es handelte sich um eine Tagung der Spielergewerkschaft der Tennisprofis 'ATP', die diesen seltsamen Treffpunkt wählen mußte, weil ihr der Men's Tennis Council (MTC), das höchste Gremium des Männertennis, schlicht einen Raum auf dem Gelände verweigert hatte.

Dazu hatten die Tennis-Bosse auch allen Grund, denn die Spieler planten nichts als Ketzerei und Aufruhr. „Wir brauchen eine stärkere Gewerkschaft, wenn wir die Verhältnisse ändern wollen. Und ich glaube, wir werden sie bekommen“, hatte John McEnroe bereits vor mehr als zwei Jahren gesagt. Die Verhältnisse – das sind für die Tennisprofis vor allem die Terminpläne, die auf die Interessen von Sponsoren und Fernsehanstalten zugeschnitten sind. „Wir werden von Turnier zu Turnier gehetzt und haben keine Möglichkeit zur Regeneration“, klagt beispielsweise Boris Becker, den seine Füße zur Zeit nicht viel weiter als zu zwei, drei Turnieren in Folge tragen.

Bisher saßen in dem Komitee, das den Turnierkalender erstellt, drei Vertreter der ATP, drei des MTC und drei der Turnierveranstalter. MTC und Turnierveranstalter waren sich stets einig, die Aktiven hoffnungslos in der Minderheit, jeder Wunsch nach Veränderung wurde abgeschmettert.

„Wir dürfen uns nicht mehr alles bieten lassen“, forderte der Schwedische Weltranglistenerste Mats Wilander. 85 der ersten hundert Spieler teilten diese Meinung und unterschrieben in New York eine Erklärung, die eine eigene Turnierserie forderte. Jetzt wurde am Rande des Turnieres von Stockholm beschlossen, daß diese ATP-Tour, an deren Gestaltung auch Becker-Manager Tiriac mitwirkte – man darf vermuten, nicht ausschließlich aus uneigennützigen Motiven am 1.Januar 1990 beginnen soll.

Nun ist es ja nicht unbedingt so, daß die Tennisprofis sich krumm und schief arbeiten müssen, schließlich finden sie noch reichlich Zeit dazu, Schauturniere zu spielen, ihren Werbegeschäften nachzugehen oder, wie Ivan Lendl, tagelang fernzusehen. Was jedoch stimmt, ist, daß es keine längeren Pausen gibt, die Möglichkeit, Verletzungen richtig auszukurieren, kaum gegeben ist. Ivan Lendl, John McEnroe, Pat Cash, Boris Becker, sie alle müssen immer wieder Turniere absagen, weil alte oder neue Gebrechen ihnen zu schaffen machen. So ist das Kernstück der Spieler-Tour auch eine achtwöchige Pause, die zum Jahresende eingelegt werden soll. Daneben sind 18 bis 20 Turniere mit einen Preisgeld von einer Million vorgesehen, an denen die besten Zehn vorrangig teilnehmen werden. Dazu kommen die Grand Slam –Turniere und der Davis Cup.

Der Beschluß der Tenniscracks hat bei den bisherigen Bossen des Welt-Tennis Bestürzung ausgelöst. MTC-Spitzenfunktionär Marshall Happer kündigte an, daß seine Organisation auf jeden Fall weiterhin selbst Turniere veranstalten werde und prophezeite im übrigen Schreckliches: „Ab 1990 bricht im Herren-Tennis das Chaos aus.

Matti

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