: PDS ist nicht gleich SED ist nicht gleich DDR
■ Der Bundesgerichtshof hat die Klage eines Mannes abgewiesen, der von der PDS als SED-Nachfolgepartei Entschädigungszahlungen für seine DDR-Haftzeit erhalten wollte
Karlsruhe (taz) – Wer in der DDR nach politischem Strafrecht verurteilt wurde, kann sich seinen Verdienstausfall in der Haftzeit nicht von der PDS wiederholen. Die SED-Nachfolgepartei hafte nicht, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem gestern veröffentlichten Urteil, denn schon die SED selbst könne nicht zur Verantwortung gezogen werden – außer Parteifunktionäre hätten auch nach DDR-Recht unerlaubt Einfluß auf die Richter genommen.
Das aber hatte ein ehemaliger DDR-Bürger nicht beweisen können, der in den achtziger Jahren einen Ausreiseantrag gestellt hatte und damit an die Öffentlichkeit gegangen war. Dafür war er in der DDR zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden, von denen er fünf Monate absaß, bevor ihn die Bundesregierung freikaufte.
Daß das Urteil politisch motiviert war, war auch für die BGH- Richter klar. Der Ausreiseantrag allein habe die DDR-Behörden nicht weiter gestört, sagte der Anwalt des Mannes, Rudolf Nirk. Erst als er auch einen Leserbrief an das Neue Deutschland geschrieben, sich mit anderen Ausreisewilligen zusammengeschlossen und Kontakt zum Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen aufgenommen habe, habe die Stasi eine „operative Personenkontrolle“ eingeleitet, die schließlich zu der Verurteilung führte.
Dieses Urteil könne man der SED aber nicht zurechnen, befand der sechste BGH-Zivilsenat. Denn die Richter hätten nicht als SED- Funktionäre gehandelt, sondern eben als Richter. Vorgaben hätte die Partei zwar gegeben, aus ihnen lasse sich aber zivilrechtlich nichts ableiten. Die Karlsruher Richter sahen auch keine Möglichkeit, über den Umweg der Staatshaftung an die Partei heranzukommen. Maßstab müsse nämlich das DDR-Recht sein, und das habe auf eine strikte Trennung von Staat und Partei geachtet. Die SED sei deshalb weder „staatliches Organ“ gewesen noch eine „staatliche Einrichtung“ der DDR. Das sei aber Voraussetzung für die staatliche Haftung.
Theoretisch hätte der Mann deshalb die Staatsorgane verklagen müssen, zum Beispiel auch die Stasi. Leider gibt es aber dort niemanden mehr, den er verklagen könnte. Denn die Bundesrepublik habe bewußt im Einigungsvertrag keinen Rechtsnachfolger festgelegt, befand der BGH. Daran müsse sich nun auch das Gericht halten. Es könne nicht einfach – gegen das anwendbare DDR- Recht – die Partei zur Verantwortung ziehen.
Aus demselben Grund kam der Mann auch mit einer Klage gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) nicht weiter. Ohnehin, so Anwalt Nirk, sei es dem Kläger mehr ums Prinzip gegangen. Für eine Klage auf 10.001 Mark hätte sich der Aufwand sonst auch kaum gelohnt. Einzige Entschädigung in diesen Fällen ist damit weiterhin nur das karge Tagegeld, das die Bundesrepublik für ungerechtfertigte Haft zahlt. Der Kläger bleibt auch auf den Kosten für den BGH- Prozeß sitzen. Gudula Geuther
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