: PDS - der verlorene Sohn?
■ Bürgermeister in Mitte will nicht mit PDS koalieren, sie aber auch nicht völlig ausgrenzen / SPD und CDU zogen alle Stadtbezirksratskandidaten zurück
Mitte. Mit Unverständnis reagierte gestern der Weddinger Bezirksbürgermeister Jörg-Otto Spiller (SPD) auf die Wahl des Stadtbezirksbürgermeisters in seinem Nachbarbezirk Mitte. Durch die Wahl des Bündnis-90-Kandidaten Benno Hasse (Demokratie Jetzt) mit den Stimmen der PDS begebe sich die Bürgerbewegung in eine „enttäuschende Abhängigkeit“. Das Bündnis 90 habe gar seinen „vorgegebenen moralischen Anspruch verloren“ und ziele mit seiner Politik darauf ab, die PDS politisch aufzuwerten und koalitionsfähig zu machen, geiferte der Westberliner CDU-Generalsekretär Landowsky.
Für Hasse selbst war der Wahlvorgang ein „durchaus demokratischer Prozeß“. Weder fühle er sich als Wegbereiter für die politische Aufwertung der PDS noch wolle das Bündnis 90 in Mitte mit der SED-Nachfolgepartei koalieren. „Man muß die Mehrheiten täglich neu erringen - wenn man mit feststehenden Mehrheiten arbeitet, leidet die Demokratie darunter“, erklärte der 51jährige Informatikingenieur gegenüber der taz.
Sowohl die SPD - wie auch die CDU-Fraktion hatten als Reaktion auf die Abstimmung ihre Stadtbezirksräte zurückgezogen. Nur einer machte dabei nicht mit: Wie die taz erfuhr, will der CDU-Abgeordnete Markus Zimmermann seine Kandidatur für das Amt „Familie, Jugend und Sport“ aufrechterhalten - auch auf die Gefahr seines Parteiausschlusses hin. Hasse aber schätzt, daß beide Parteien ihren Rückzug „mit Rücksicht auf die Bürgerinteressen“ noch einmal überdenken werden. Sollte dies nicht der Fall sein, will das Bündnis 90 bei der Wahl am kommenden Montag Kandidaten für alle Ämter stellen - mit Ausnahme des Ressorts Gesundheit: Für diesen Bereich habe das Bündnis keinen geeigneten Kandidaten, doch stände aus den Reihen der PDS „ein sehr moderater Mann“ zur Verfügung. „Wir müssen die PDS behandeln wie in dem Gleichnis mit dem verlorenen Sohn“, erklärte Hasse, „sie müssen Gelegenheit haben, sich zu beweisen.“
Besonders enttäuscht zeigte sich Hasse über das Verhalten der SPD, mit der er bislang „nicht allzugute Erfahrungen“ gemacht habe. Sowohl im Magistrat wie auch in Köpenick - in beiden Räten hatte Hasse kandidiert - hatten die Sozialdemokraten eine Koalition mit der CDU dem Bündnis vorgezogen, „obwohl zumindest in Köpenick SPD und Bündnis zusammen die Mehrheit gehabt hätten“. Als Stadtbezirksbürgermeister in Mitte will Hasse, der sowohl am Berliner Runden Tisch wie auch in der Arbeitsgruppe Sicherheit zur Auflösung des MfS vertreten ist, vor allem eins: demokratische Strukturen installieren. „Die Parteiquerelen werden oben ausgetragen - in der Kommunalpolitik brauchen wir sie nicht.“
maz
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