piwik no script img

P O R T R A I T Ein Paradiesvogel aus Berlin

■ Die Nominierung von Berlins Sozialsenator Ulf Fink (CDU) für den CDA–Vorsitz

Von Benedict M.Mülder

Berlin (taz) - Hätte es in Berlin keine Hausbesetzungen und keine Alternativprojekte gegeben, der Berliner CDU–Sozialsenator Fink hätte sie erfinden müssen. Wie es ohne die Szene keine „Stadt der sozialen Experimente“ (Fink) gäbe, hätte es ohne ihn kein „Berliner Modell“ gegeben, das er nur zu gerne exportieren würde. Als Transmissionsriemen wären die christdemokratischen Sozialausschüsse nicht die schlechtesten, wird sich Fink gedacht haben, als er zur Kandidatur und damit zur Herausforderung Helmut Kohls schritt. Bevor der 45jährige sich mit Richard von Weizsäcker 1981 daran machte, der krawall– und skandalgeschüttelten Stadt „einen Ruck“ zu geben, hatte er sich schon einmal mit dem CDU–Parteivorsitzenden Kohl angelegt. Als CDU–Bundesgeschäftsführer warnte Fink damals davor, daß die Partei sich durch „ihren kulturellen Konservatismus von der Jugendgeneration abkoppelt“. Noch bevor die Wogen sich geglättet hatten, war Fink dann an die Spree gerufen worden. Der Sozialexperte, der zusammen mit Heiner Geißler an den Thesen zu neuen sozialen Frage gefeilt hatte, war wie geschaffen für das Amt des Senators für Gesundheit, Soziales und Familie, um fortan in der Praxis zu erproben, was es mit einer neuen Subsidiaritätspolitik auf sich hat. Die große Anmache der „Jugendgeneration“ begann. Sie war begleitet von Einsichten, die gegenwärtig in Berlin verdrängt werden. So schrieb er kürzlich, daß die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Kreuzberg eine „fast zwangsläufige Folge“ der sich dort zuspitzenden Konflikte gewesen sind. Fink übernahm sicherlich in befriedender Absicht die Forderungen der Szene nach einem Selbsthilfetopf, machte sich stark gegen den damaligen Innensenator Lummer für einen Dialog mit „Besetzers“ und ließ keine Gelegenheit aus, der bei der CDU gelandete Reform–68er zu sein. Gleichwohl scheute er sich nicht, unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen. Asylbewerber ließ er Laub harken, mit einem Krankenhausbetten– Streich–Quartett hat er sich bis heute nicht nur bei der ÖTV unbeliebt gemacht. Zwischen bürgernahen Sozialstationen und Hightech–Fabriken für Gesundheit versucht er eine nicht ganz tragfähige Kompromißlinie zu finden. Ganz ohne diese kommt er hingegen aus, wenn es in Sachen AIDS gegen den bayerischen Gegenspieler Gauweiler geht. Auch da baut Fink auf Selbsthilfe und nicht auf Staat. Sein Etatismus–Begriff ist begrenzt, er will keine Wohlfahrtsbürokratien, weder staatliche noch gewerkschaftliche. Da dürfte er in der CDA Anstöße geben, die auch Auswirkungen auf den DGB haben werden. „Denn mehr noch als die materielle Not“ sieht Fink etwas gespreitzt in „der seelischen Not der Menschen die Herausforderung der modernen Industriegesellschaft.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen