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■ StandbildOstalgie vs. Ostallergie

„Talk im Turm“, Sonntag, 22.05 Uhr, Sat.1

Gregor Gysi von der PDS war im zurückhaltenden Tarndunklen gekommen. Marianne Birthler vom Bündnis 90/Grüne in Kampfrot und Manfred Stolpe in gedämpftem Pastorenanthrazit. Aber dezent verlief die Expertenrunde keinesfalls. „Talk im Turm“-Thema war der in vielen Augen ebenso erstaunliche wie skandalöse Ausgang der Kommunalwahlen in Brandenburg: Platz 2 für die PDS. War dieser Talk vielleicht schon ein Showdown zum Superwahljahr 1994? Da flogen die Wortfetzen, wallten die Emotionen und verhinderten oft den Output vollständiger Sätze, so daß Erich Böhme seine Runde immer wieder zur staatspolitischen Räson bringen mußte. Eigentlich wollte man über das streiten, was den Ausgang der brandenburgischen Kommunalwahlen nun auch nicht mehr korrigieren wird: Haben die großen Altparteien keinen Sinn mehr für die realen Probleme? Wurde gänzlich am Osten vorbeiregiert, oder woher sonst kommt die „Ostalgie“?

Die Umschau unter den versammelten Politikern ergab nicht mehr als die alten offenen Fragen, aufgeregte Diskussionen um Stasivergangenheiten, belastete Politiker und Glaubwürdigkeitsvorteile. Das Fähnlein der verkannten Aufrechten konnte angesichts des sogenannten „Wahltriumphs“ der PDS wieder tapferer hochgehalten werden, allen voran vom eloquenten Medienstar Gysi. Die Galionsfigur der Partei in progress war am wenisten verlegen, als es um ein von der CSU ins Gespräch gebrachtes Verbot der PDS als verfassungswidriger Partei ging: „Wir wollen die BRD verändern, und das soll schon illegitim sein!“ schmetterte er seinem Kontrahenten Kurt Faltlhauser von der CSU entgegen.

Fast kommt es einem wie ein Papiergefecht vor, wenn man zugute hält, daß sich der absolute Stimmenzuwachs der PDS in Brandenburg auf ganze 900 belaufen soll. Der Ausgang der Wahl wurde nicht ausgelotet; über Schuldzuweisungen und Problemanleihen bei Arbeitslosigkeit und Kriminalität kam die Runde nicht hinaus. PDS gleich Stasivergangenheit, hieß die fatale Rechnung der „Volksparteien“ CDU/CSU – eine Bilanz, die in ihrer simplen und ewigen Redundanz auf die Dauer doch verdrießt. Wie sich die Parteienlandschaft, zwischen ökologisch und rechts, gerade verändert, blieb an diesem aufgeregten Abend wieder außen vor. Anke Westphal

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