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■ Die Brüsseler Entscheidung zu Eko StahlOst gegen Ost

Die EG-Kommission bleibt sich treu: Kein Geld mehr für den Stahl, lautet ihre Devise, also auch nicht für die Stahlkocher in der Oderstadt. Es kam, wie es kommen mußte: Die Brüsseler Wettbewerbshüter haben gestern das Konzept von Treuhand und dem italienischen Stahlkonzern Riva für das Eisenhüttenstädter Eko-Stahlwerk wieder einmal abgelehnt. In der Logik der EG-Wettbewerbshüter ist die Entscheidung, vom Übernahmekandidaten Riva zusätzliche Kapazitätsstillegungen zu verlangen, nur konsequent. Schließlich haben die EG-Bürokraten allein in den 80er Jahren rund 85 Milliarden Mark an staatlichen Beihilfen genehmigt und sich damit lediglich einen Kapazitätsabbau von 37 Millionen Tonnen in Westeuropa erkauft – das ist nicht einmal die Hälfte dessen, was die Experten angesichts der gigantischen Stahlüberhänge für notwendig erachteten. Zum Abbau der unrentablen Überkapazitäten gibt es auch hierzulande keine Alternative – es sei denn, man will deutsche Arbeitplätze im Rahmen nationaler Interessen mit immer neuen Subventionen und protektionistischen Maßnahmen verteidigen.

Die erwartete Schicksalsentscheidung für Eisenhüttenstadt ist aber mit dem Veto aus Brüssel noch nicht gefallen. Um an die für Eko veranschlagte Investitionssumme von rund einer dreiviertel Milliarde Mark zu kommen, muß Riva nach dem Rechenmodell der Kommissare wohl mindestens weitere 200.000 Tonnen Stahl opfern. Das aber werden die gewieften Italiener wohl kaum in Eisenhüttenstadt tun, wo sie eine hochmoderne Stahlschmiede hochziehen können, sondern in ihrem zweiten Ost-Standort Hennigsdorf. So wird nun Standort gegen Standort in Ostdeutschland ausgespielt, und die Stahlbarone im Westen können sich die Hände reiben.

Der Beschluß der EG-Behörde, daß die Kapazitäten ausschließlich im Osten abgebaut werden müssen, weil die früheren DDR-Stahlwerke einem Kombinat angehörten, könnte genausogut aus der Feder der westdeutschen Stahlkonzerne stammen. Deren Lobby war offensichtlich stark genug, den von der Bundesregierung eingeklagten „Sonderfall“ zu torpedieren.

Doch selbst wenn Eko Stahl in der nächsten Runde vielleicht grünes Licht bekommt, dürften die Probleme noch lange nicht gelöst sein. Stahl ist eine Altindustrie, und vieles spricht dafür, daß am Ende doch eine lange währende und milliardenschwere Subventionierung für das Stahlwerk steht, das selbst in seiner heutigen Schrumpfgröße wohl nicht überleben kann. Gerade deshalb wird seine Funktion als sogenannter industrieller Kern für die zukünftige Struktur in der Region völlig überschätzt. In geradezu fahrlässiger Weise hat Wirtschaftsminister Günter Rexrodt, der ansonsten einen eklatanten Mangel an politischem Gestaltungswillen verrät, mit seinem Schwur den Beschäftigten an der Odergrenze falsche Hoffnungen gemacht. Er und sein Parteikollege Walter Hirche lassen lieber die EG den Henker spielen, als sich an die wahren Strukturprobleme heranzutasten. Wer aber seine Aussagen nicht halten kann, der zerstört auch das letzte Fünkchen Vertrauen in die Politik. Egal ob Eisenhüttenstadt oder Hennigsdorf – Bischofferode läßt grüßen! Erwin Single

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