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Ost-Zoll mit großen Schlupflöchern

■ Neue Länder gelten als Paradies für Kriminelle und Schmuggler/ Schwächen der ostdeutschen Zollämter werden für illegale Chemikalien-Exporte und Steuerhinterziehungen ausgenutzt

Potsdam. Die neuen Bundesländer werden offenbar von Wirtschaftskriminellen und Schmugglern als Paradies für Zollvergehen mißbraucht. Nachdem Industrieunternehmen erkannt hätten, daß der Ausbildungsstand der früheren DDR-Zöllner noch nicht dem der westlichen Kollegen entspricht, würden Zollstellen der Altbundesländer gezielt umgangen. Dies beträfe Embargo-Chemikalien, aber auch mikroelektronische Erzeugnisse, sagte der Brandenburger Amtsvorsteher Thomas Schmidt.

Viele Beamte der östlichen Binnenzollämter hätten noch nicht die nötige „Intuition“, bei Eingang eines Exportantrages die Auflage einer Negativbescheinigung des Bundesamtes für Wirtschaft zu fordern. Auch organisierte Kriminalität durch Exilrussen bereite den Zollfandern Probleme. Dabei ginge es vor allem um die Veräußerung von zoll- und steuerfreien Waren an Nichtberechtigte, erläuterte Schmidt. Die Zollfahndungsämter der neuen Bundesländer ermitteln derzeit gegen mehrere Exporteure. Auf Veranlassung des Kölner Allgemeinen Zollkriminalinstituts würden die Beamten konkreten Anhaltspunkten aus Betriebsprüfungen im Westteil der Bundesrepublik nachgehen.

Nach dem zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik vereinbarten Stationierungsabkommen dürfen Mitglieder der sowjetischen Streitkräfte und ihre Familienangehörigen in den Geschäften der staatlichen Handelsorganisation TPB in Ostdeutschland zoll- und steuerfrei einkaufen. Etwa 25 Prozent der Läden befinden sich außerhalb der Kasernen. Die Verkäufer träfen, so Schmidt, „keine Maßnahmen“, um den Verkauf von Zigaretten und Alkohol an Bundesbürger zu verhindern. Vietnamesische Zwischenhändler würden in größeren Mengen Zigaretten einkaufen und sie in Bahnhöfen und Lokalen verkaufen.

Auch bei Waren der Unterhaltungselektronik seien Mitglieder der sowjetischen Truppen in illegale Schiebereien verwickelt. Dazu ermittle bereits die sowjetische Militärstaatsanwaltschaft. Groß- und Einzelhandelsgeschäfte sowjetischer Exilbürger ließen sich nach Erkenntnissen der Fahnder die Abnahme von weit mehr zollfreien Videorekordern und Fernsehgeräten durch sowjetische Angestellte oder Soldaten in den Ostläden bestätigen, als tatsächlich geliefert würden. Die nicht abgenommene Ware, ohne Steuer rund 30 Prozent günstiger, werde zum Beispiel im Westberliner Einzelhandel weiterverkauft. Weitere Steuerhinterziehungen werden durch „tankwagenweise“, illegale Belieferung von zollfreiem Diesel und Benzin aus Beständen der sowjetischen Streitkräfte begangen. Abnehmer seien „Großverbraucher“, wie Speditionen und Baufirmen. Das Bundesfinanzministerium verhandle, so Zollfahnder Schmidt, derzeit mit zuständigen Stellen der Streitkräfte über eine Mengenbegrenzung bei der Belieferung von zollfreien Waren. dpa

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