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Ost-Mode en vogue

■ Der Westen entdeckt postsozialistische Kreativität.

st-Mode ist schwer im Kommen, so zumindest die Trendmeldung bundesdeutscher Modezeitschriften. Fasziniert wird von der neuen Kreativität berichtet, die junge DesignerInnen der DDR vorzuweisen haben; als gäbe es die erst seit besagtem Datum, das fast schon zur Worthülse geraten ist (neunternovember).

Kreativität gab es in der DDR jedoch bereits vor der Wende

-zwangsläufig, denn was die staatliche Bekleidungsindustrie, wenn überhaupt, lieferte, diente eher der wärmenden, denn der schmückenden Umhüllung. Nicht nur daß Frauen, der Kleidungstristesse überdrüssig, sich mit Schnittmustern aus geschmuggelten westlichen Modezeitschriften ihre eigene Garderobe schneiderten. Auch junge DesignerInnen wagten es, Avantgardistisches zu kreieren, wenn auch eher als Kunstobjekt denn als tragbare Mode. Frei von kommerziellen Verwertungszwängen (als Selbständige gehören sie zum Verband freischaffender Künstler und werden finanziell unterstützt), allerdings auch frei von gewünschten Materialzuwendungen konnten die ModemacherInnen ihre Fantasie austoben. Ob da aus Polsterstoffen aus der Industrie mangels chinesischer Seide spacige Overalls geschneidert oder aus Lederresten Jacken gestrickt werden - der Mangel erst führte und führt zu eigenwilligen Kreationen.

Freilich ist dabei noch kein Lagerfeld und keine Chanel hervorgegangen. Selbst der sowjetische Vorzeige-Stardesigner Slawa Saizew hat kein deutsch-demokratisches Pendant. Aber modische Innovation kommt auch im Westen bekanntlich immer aus dem Off.

Daß jetzt erst die westlichen Modejournale fasziniert auf Schrilles aus der DDR blicken, hat seinen Grund wohl mehr am Noch-Exotischen. Steht doch jedes Ost-Huhn, das ein Ei legt, im Mittelpunkt des Medieninteresses. Aber schon wirft die hiesige Modeindustrie begehrliche Blicke auf die jungen Talente von drüben. Und dann dürfte es aus sein mit dem freien Experimentieren. Avantgardistisches ist dann nur noch von den Hinterhof-Couturiers zu erwarten. Wie gehabt.

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