: Ost-Instituten rennt die Zeit weg
■ Schwierigkeiten bei der Evaluierung von wissenschaftlichen Instituten im Ostteil Berlins/ Fachkräfte wandern schon ab/ AL-Politikerin Hilde Schramm fordert Strukturhilfeprogramm
Schöneberg. Als ob sie es geahnt hätten: Einen Tag, nachdem Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CSU) angekündigt hatte, daß die Länder 50 Prozent der Finanzierung wissenschaftlicher Einrichtungen übernehmen sollen, fand die öffentliche Anhörung über die Zukunft der Berliner Akademie-Institute im Rathaus Schöneberg statt. AL, Bündnis90 und SPD hatten eingeladen. Die Bonner Direktive würde für das Land Berlin bedeuten, allein für die Akademie der Wissenschaften nach Berechnungen der letzten DDR-Regierung rund 500 Millionen Mark für die Übergangsfinanzierung aufzubringen.
»Wenn die Institutsfinanzierung bis Ende 91 nicht gesichert ist, gerät die Evaluierung der Institute in große Schwierigkeiten«, sagte der ehemalige Akademiepräsident, Klinkmann. Erst zehn Prozent der 60 Institute befänden sich im Evaluierungsprozeß. Bis Januar würden vielleicht 40 Prozent geschafft sein. Aber die Gesamtevaluierung sei kaum bis Ende 91 abzuschließen, zumal die wirklichen Problemfälle nach hinten verschoben werden, meint Klinkmann. Obwohl Befürworter der Evaluierung, käme es ihm jetzt manchmal so vor, als würde »die falsche Kuh geschlachtet«.
Durch die Arbeit der Kommissionen kämen auch die zwei Gesichter der Akademie zum Vorschein: das des zentralen Forschungskombinates und das des Unterschlupfes für von Universitäten restriktiv verdrängte Forschungsgebiete und Wissenschaftler, die hier in leistungsfähigen kleinen Gruppen weiter arbeiten könnten. Zahlreiche Wissenschaftler bestätigten die Erfahrungen Klinkmanns. In den einzelnen Instituten wird fieberhaft an neuen Konzepten und Vorschlägen gearbeitet, aber die Reaktionen sind häufig enttäuschend. Bevor keine Entscheidung durch die Evaluationskommissionen getroffen worden sind, finden die Institute keine finanziellen Partner.
Vor allem die naturwissenschaftlichen Institute müssen durch das Zögern und Abwarten mit einem enormen Verlust ihres wissenschaftlichen Potentials rechnen, befürchtet Manfred Peschel vom Institut für Informatik, von wo nahezu die Hälfte aller Wissenschaftler schon zu Siemens oder anderen Konzernen abgewandert sind.
Besonders kompliziert ist die Frage über die künftige Anbindung der jetzt selbständigen Institute an die verschiedenen Länder — nicht alle werden in Berlin bleiben können — oder einzelner Fachbereiche an die Universitäten. Diese jedoch, so Vertreter von FU und Humboldt- Uni, können gegenwärtig nicht mehr als Interesse zeigen. Entschieden wird darüber außerhalb der Unis.
Hauptproblem bleibt nach wie vor das Geld. Die Institute versuchen über Drittmittelfinanzierung oder Stiftungen wenigstens die nächste Zeit überstehen zu können. Ungewollt geraten sie dadurch natürlich in eine Bittstellerhaltung. Doch ohne Geld würde manches Forschungsprogramm brachliegen und die Chancen für eine Anerkennung der Institutsarbeit in wenigen Monaten verringern. AL-Politikerin Hilde Schramm forderte vage ein Strukturhilfeprogramm — doch sie sitzt nun in der Opposition. Anbau
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