: Orthodoxe stürzen Schamir
Israels Likud kann nur 55 der 120 Knesset-Abgeordneten auf sich vereinen / Politischer Spielball liegt nun im Feld von Schimon Peres und seiner Arbeiterpartei ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Regierung des Likud-Führers und israelischen Ministerpräsidenten Schamir ist am Donnerstag abend durch das von der Arbeiterpartei initiierte Mißtrauensvotum zu Fall gebracht worden. Dabei konnte Arbeiterparteiführer Peres 60 der insgesamt 120 Knesset-Abgeordneten für seine Palastrevolution gewinnen. 55 Abgeordnete sprachen dagegen Schamir ihr Vertrauen aus. Die letztlich entscheidenden fünf Mitglieder der orthodox-religiösen, sephardischen Schas -Fraktion - die während des ganzen gestrigen Tages intensive Schlichtungsversuche unternommen hatten, um den Bruch in der großen Koalition zwischen Likud und Arbeiterpartei noch zu kitten - blieben der Abstimmung fern.
Schamirs Rumpfkabinett, aus dem die Minister der Arbeiterpartei nach der Entlassung von Peres ausgetreten sind, wird nun zur Übergangsregierung, die so lange im Amt verbleibt, bis eine neue Regierung vereidigt wird. Weder kann ein Mitglied der Übergangsregierung zurücktreten, noch darf ein neues hinzukommen. Schamir hat im Moment zehn ehemalige Arbeiterpartei-Ministerien zu betreuen, für die er persönlich verantwortlich ist. Für den Fall, daß keine neue Koalitionsregierung gebildet werden kann, könnte die Übergangsregierung - wenn sie als Minderheitenkabinett geduldet wird - bis zu den nächsten regulären Knesset-Wahlen in etwa zwei Jahren im Amt verbleiben.
Die maßgeblichen Politiker der Arbeiterpartei haben versprochen, daß Peres - der wahrscheinlichste und aussichtsreichste Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten - so schnell wie möglich eine friedensorientierte Regierung bilden will. Religiöse Parteien waren bereits für gestern zu Gesprächen mit Peres eingeladen. Zusammen mit den religiösen und bisherigen Oppositionsparteien wie Mapam, Raz und Schinuj hofft die Arbeiterpartei, zuerst eine kleine Koalition mit bis zu 65 Knesset-Mitgliedern bilden zu können.
Die offiziellen Koalitionsverhandlungen können aber erst beginnen, wenn Staatspräsident Herzog (Arbeiterpartei) nach Beratungen mit allen Knesset-Fraktionen - einen Abgeordneten mit der Regierungsbildung betraut. Dieser Abgeordnete wird aller Wahrscheinlichkeit nach Schimon Peres heißen. Peres hat dann zunächst einmal 21 Tage Zeit, um ein mehrheitsfähiges Kabinett zusammenzustellen. Freilich: Sollte diese Zeit nicht ausreichen, so kann er eine weitere Frist von drei Wochen beantragen. Im Durchschnitt dauert eine Regierungsbildung in Israel bis zu zwei Fortsetzung auf Seite 4
Monate. Peres jedoch hat versprochen, schon Ende März seine neue Koalition vorzustellen.
Auch der Likud-Block wird natürlich Anstrengungen unternehmen, um seinerseits eine alternative Koalition auf die Beine zu stellen. Dies aber wird wohl erst machbar sein, wenn Schamir als Likud-Chef abgedankt hat. Und das wird einige Zeit dauern. Denn schon seit längerem toben heftige Machtkämpfe inner
halb der Likud-Fraktion. Die verschiedenen Likud -Gruppierungen um Scharon, Levy und Modai versuchen nun, ihren Einfluß in den Parteiinstitutionen zu vergrößern. Schamirs eigenem Kronprinzenvorschlag - Mosche Arenshat werden aber geringe Erfolgsaussichten eingeräumt. Im Vergleich zu Schamirs Likud ist sich Peres‘ Arbeiterpartei ziemlich einig. Sie dürfte keine allzu großen Probleme haben, die verschiedenen religiösen Parteien nebst den links -sozialdemokratischen Gruppen zumindest vorläufig unter einen Hut zu bringen. Der bisherige Verteidigungsminister Rabin (Arbeiterpartei), der seinen innerparteilichen Rivalen Peres nur ungern als Ministerpräsidenten einer kleinen Koalition sieht, befürwortet dagegen eine große Koalition mit Peres an der Spitze und Likud-Ministern in der Regierung.
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