■ Standbild: Orgien-Effekt
„Diana lebt“, Mi. 20.45 Uhr, MDR
Wir schreiben das Jahr 1997. Ganz Britannien ist von der Trauer um Prinzessin Diana ergriffen. Ganz Britannien? Laut Meinungsumfrage des Boulevardblatts Sun am Tag nach der Beerdigung waren nur elf Prozent der Briten bereit, Blumen niederzulegen oder sich ins Kondolenzbuch einzutragen: Davon wurde nichts publik. In seiner pfiffigen MDR-Reportage „Diana lebt“ zeigt Joachim Wagner, daß die eigentliche Reaktion der Bevölkerung auf den „banalen Jet-Set-Tod“ einer „Medien- Madonna“ durch die Berichterstattung gezielt verzerrt wurde. Mit lockerer Montage einschlägiger Bilder macht Wagner, ohne belehrend zu werden, plausibel, daß der ideologische und wirtschaftliche Wert der Verstorbenen gnadenlos ausgebeutet wurde. Die sonst kritische BBC zeigte nur bigotte Di- Bilderschleifen, und die Massenblätter spiegelten nichts als weltweite Trauer: „Leute bekamen eins aufs Dach, wenn auch nur die Gefahr bestand, daß etwas unangemessen sein könnte“, sagt Karikaturist Steve Bell. Durch ihre durchgängige Selbstzensur lösten die Medien einen Schneeballeffekt aus, der das Trauer-Event zur grotesken Massenhysterie verzerrte. Der Historiker David Starkey spricht vom „Orgien-Effekt“, bei dem die „Nachahmung einen Wettbewerb auslöst“, so daß jeder den anderen zu übertrauern versucht. 10.000 Tonnen Blumen für 75 Millionen Mark vor dem königlichen Palast waren der Effekt, der durch die positive Rückkopplung im Medien- Brennspiegel noch einmal verstärkt wurde: Zahllose Briten trauerten so sehr, daß sie hinterher zum Psychiater mußten. „Diana lebt“ ist eine kurzweilige und schlüssige Reportage, ohne hämisch zu werden oder in prätentiöse Antihaltung zu verfallen. Manfred Riepe
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