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„Organisierte Unverantwortlichkeit“

■ Hochschule für Verwaltung verpaßte ihre Chance zur Debatte der Verwaltungsreform

Die Bremer Bürokratie ist ein „System organisierter Unverantwortlichkeit“. Mit dieser These eröffnete eine Studentin gestern nachmittag das Podium, auf dem drei Stunden lang zum Thema Verwaltungsreform gesprochen wurde. Doch aus der angekündigten Diskussion wurde nichts. Die rund 200 StudentInnen klatschten zwar allen TeilnehmerInnen artig Beifall, doch eigene Positionen gaben sie nach dem provokativen Eingangsstatement nicht mehr von sich. Stattdessen gab es viel Gelegenheit zur Selbstdarstellung der prominenten Gäste.

Den Auftakt machte Finanzsenator Volker Kröning. Als „Zoff für Bremen“ pries er sein auf 40 Seiten zusammengefaßtes Konzept zur Verwaltungsreform, klärte dann aber schnell auf, daß es sich dabei nur um „ZoV“ handelt, nämlich die „Zukunftsorientierte Verwaltung“. Und dazu gehört zum Beispiel auch „PKBMC“. Was „fast so klingt wie ein Gift“ (Kröning) heißt ausgeschrieben „Personalkosten-Budgetierung, Management und Controlling“ und ist eines der neuen Modekürzel der Reformdebatte – zusammen mit „TuI“, der „technikunterstützten Informationsverarbeitung“ und „DRV“, der „dezentralen Ressourcenverantwortung“. Als wären die beamtendeutschen Abkürzungen extra zu diesem Zweck erfunden worden, dokumentieren sie eines der Grundprobleme, an denen die Verwaltungsreform bis heute scheitert: Die Bürokratie ist eine Welt für sich, und sie hat noch immer nicht gemerkt, daß sie sich damit völlig ins Abseits manövriert hat.

Der einzige, der sich auf dem Podium traute, das zu sagen, war Dieter Porschen, Geschäftsführer der Bremer Handelskammer. „Private Betriebe motivieren ihre Mitarbeiter, der öffentliche Dienst demotiviert“, meinte er. Dabei müßten „Sanierung“ und „Sparen“ überhaupt nicht im Widerspruch dazu stehen, daß auch die öffentlich Bediensteten mehr Spaß an ihrer Arbeit finden. Porschen: „Aber bei uns wird immer noch die Machtverwaltung gepflegt – statt einer Dienstleistungsverwaltung, wie wir sie in Holland beobachten können.“

Daß der Öffentliche Dienst „keinen guten Ruf“ hat, weiß inzwischen auch die ÖTV. Doch dazu fällt ihrer Bremer Vorsitzenden Gisela Hülsbergen erstmal wieder nur eine neue bürokratische Maßnahme ein: „Wir brauchen ein Organisationsreformabkommen“, forderte sie gestern. Darin müßten ähnlich eines Tarifvertrages Grundstrukturen der geplanten Veränderungen festgelegt werden. Zu Personaleinsparungen dürfe dies allerdings auf gar keinen Fall führen. Eine Position, die Volker Kröning zu dem Zwischenruf provozierte: „Na dann lieber nicht.“

Denn ohne Abbau der „gewaltigen Personalüberhänge“ (Kröning) sei eine Reform des Öffentlichen Dienstes nicht zu haben. Und Bremerhavens Bürgermeister Karl Willms nannte auch gleich ein Beispiel, daß dies durchaus auch im Interesse der Beschäftigten möglich ist. Durch einfache Umorganisation unter Zustimmung aller Beteiligten sei dort die Liegenschaftsverwaltung von 13 auf acht MitarbeiterInnen „geschrumpft“, jährlicher Spareffekt: 400.000 Mark.

Breite Einigkeit demonstrierten alle PodiumsteilnehmerInnen lediglich in der Erkenntnis, daß mit der Reform schleunigst begonnen werden müsse. Hülsbergen: „Es ist höchste Zeit zu handeln.“ Wenig Hoffnung, daß dies auch gelingen werde, hatte allerdings Dieter Porschen. Die Bremer Diskussion dazu bewege sich bisher „auf einem abstrus langweiligen Niveau“. Und Volker Kröning, sichtlich genervt von den „endlosen Verhandlungen“ selbst um kleinste Reformansätze, wandte sich hoffnungsvoll an die StudentInnen: „Sie müssen der Politik dafür Beine machen.“

Doch die versammelte Zukunft der Bremer Verwaltung schwieg. Sie hatte nur eine einzige Frage: „Wird es bei der Verwaltungsreform zu Entlassung kommen?“ Darauf Kröning: „Wir müßten besser Personal loswerden können, aber wir haben uns verpflichtet, die Arbeitsplätze zu schützen.“ Ase

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