: Opfer zum Täter gemacht
■ Untersuchung zum Polizeiskandal: Rechtsanwalt Puls zur Verleumdungs-Kampagne gegen Gewaltopfer Dialle D. Von Silke Mertins
Wie haben Kripo, Ausländerbehörde und Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet, um das Polizeiopfer Dialle D. loszuwerden? Das war die eigentliche Frage dieser Woche im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei.
Doch am Mittwoch abend ging es fast nur noch um die Glaubwürdigkeit des Afrikaners, der die Polizisten angezeigt hatte. Anstatt ans Tageslicht zu bringen, warum der polizeiinterne Ermittler, Uwe Hantke, nicht versuchte, die Widersprüche zwischen Polizistengeständnissen und Zeugenaussagen aufzuklären, lenkten der PUA-Vorsitzende Ulrich Karpen (CDU) und sein Stellvertreter Holger Christier (SPD) die Aufmerksamkeit immer wieder auf die angeblich dubiosen Lebensumstände des Afrikaners.
Tatsache ist jedoch, daß der Kripo-Beamte Hantke die straffällig gewordenen Polizisten nicht vernommen hat, obwohl er Körperverletzung im Amt vermutete. Dafür aber wurde in seiner Abteilung mit großem Eifer zur angeblich ungeklärten Identität des Opfers Dialle D. ermittelt. Hantke habe überprüfen wollen, ob es „richtig“ sei, daß Dialle überhaupt in Deutschland ist. Daß die Täter Polizisten sind, „wird aufgebauscht“.
Dialle D.s Paß „ist ganz offensichtlich keine Fälschung“, sagte Monika Brandhorst, Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde, unmißverständlich aus. Sie bestritt allerdings, mit dem Polizisten Hantke ausgemacht zu haben, Dialle D. den Paß abzunehmen. Doch genau das geschah am 25. Januar 1994 und ist aktenkundig. Damit wurden die Möglichkeiten einer Abschiebung erwogen, bevor der Paß überhaupt auf seine Echtheit geprüft werden konnte. Auch andere widersprüchliche Angaben konnten nicht aufgeklärt werden.
Die taz sprach mit Dialle D.s Rechtsanwalt Rolf-Eckard Puls.
taz: Der Untersuchungsausschuß Polizei droht zur Verleumdungskampagne gegen Ihren Mandanten Dialle D. zu werden. Ist seine Identität tatsächlich ungeklärt?
Rolf-Eckard Puls: Man hat von Anfang an versucht, das Opfer zum Täter zu machen. Zuerst, indem die Polizisten den zusammengeschlagenen Dialle D. als Drogendealer hinstellen wollten. Dann kam die Paßfälschungslegende und schließlich das Ausweisungsverfahren. Die Behörde hat mir gegenüber nie einen Zweifel an Dialle D.s Identität vorgetragen.
Wieso glauben Sie, daß Polizei, Ausländerbehörde und Staatsanwaltschaft mit vereinten Kräften an einer Abschiebung von Dialle D. gebastelt haben?
Wegen der Gleichzeitigkeit des Behördenhandelns: Ermittlung, Abschiebung und die Verhinderung der Akteneinsicht. Soviele Zufälle auf einmal sind völlig ausgeschlossen. Außerdem ergeben sich diese Anhaltspunkte ganz klar aus den Akten.
Für Staatsanwaltschaft und Polizei liegt die rassistische Motivation der Prügelpolizisten nicht auf der Hand. Kommt für Sie etwas anderes infrage?
Für die Taten des Polizisten gibt es überhaupt keinen anderen Handlungszusammenhang. Dialle D. ist nun mal Afrikaner und hatte diese antifaschistische Mütze auf. Die Polizisten haben in St. Pauli gearbeitet, wo die Mütze zu der Zeit überall getragen wurde.
Während die Identität der straf- fälligen Polizisten geschützt wird, werden die persönlichen Daten Ihres Mandanten ausgebreitet. Hat das seine Richtigkeit?
Ich habe immer sehr großen Wert darauf gelegt, daß der Nachname meines Mandanten nicht bekannt wird. Weil er sich gewehrt hat und öffentlich bekannt wurde, liegt ein gesteigertes Schutzbedürfnis vor. Durch die Mißachtung entsteht eine Gefährdung meines Mandanten. Einen rassistischen Angriff gegen Dialle D. gab es bereits in der Nachbarschaft.
Die Kripo-Beamtin hat auch die geschiedene Frau ihres Mandanten angerufen. Gab es Gründe für eine solche intensive Überprüfung?
Dieser Eingriff in die Persönlichkeitssphäre meines Mandanten ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Ausländerbehörde hat niemals den Vorwurf der Scheinehe erhoben. Eine Überprüfung ist außerdem nicht Sache der Polizei, sondern der Ausländerbehörde.
Es wurde im Ausschuß der Eindruck erweckt, Dialle D. springt von einer Scheinehe zur nächsten. Der Vorsitzende Ulrich Karpen fragte wörtlich, ob Dialle im März '94 bereits eine „neue Frau beigebracht“ hätte. Hatten Sie sich die PUA-Aufklärungsarbeit so vorgestellt?
Herr Karpen verläßt damit den aufgrund seines Amtes nötigen Umgangston. Ich hatte mir erhofft, daß Zusammenhänge zwischen den Behörden sowie rassistische Hintergründe aufgeklärt werden, und nicht daß mein Mandant lächerlich gemacht und in seinem Ruf geschädigt wird. Ich sehe darin ein Ablenkungsmanöver.
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