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Opfer einer Intrige?

■ betr.: „Eggert allein zu Haus“, taz vom 11. 7. 95

Das Szenario hat schon Tradition, war also vorhersehbar:

1. Unschuldsengel Eggert zerquetscht etliche Zähren des Selbstmitleides und erklärt seinen Rücktritt, „um dem Amt nicht zu schaden“.

2. Onkel Biedenkopf hat bereits den Pensionsanspruch durch retardierende Bearbeitung des Falles gerettet.

3. Der Wunderkanzler drückt, statt eines Mitessers, sein obligatorisches Bedauern aus.

Tja, und das war's dann wohl, denn in diesem unserem Lande verläuft so was im Sande; Profi- Christ Eggert kann bis zum seligen Ende eine fünfstellige Pension verzehren (der Steuerzahler zahlt's aus Dankbarkeit) und in Ruhe über das Böse in dieser Welt nachsinnen, das ihm soviel Schmach bereitet hat. So weit, so schlecht!

Aber, Eggert das Opfer einer Intrige? Ach nee!

Dieser erzreaktionäre, machtgeile Frömmler, der gnadenlos Kurden einer, gelinde gesagt, ungewissen Zukunft in der Türkei auslieferte, wüßte sich nicht zu helfen, wenn die erhobenen Anschuldigungen haltlos wären? Man darf eher annehmen, daß der die Jungens so brutal gebügelt und geplättet hätte, daß kein Hund mehr ein Stück Brot von ihnen nehmen würde.

Fazit: Unsere Pharisäer agieren so, als wären alle Bürger dieses Landes Bild-Leser; entsprechend dumm sollen wir verkauft werden. Auch das ist nicht neu. Warum aber dann die wachsweichen Kommentare in taz, im Fernsehen und anderswo? Jo Benjamin, Bensheim

Heinz Eggert wird die Affäre, so schmerzlich sie für ihn und seine Familie zur Zeit auch sein mag, „überleben“. Dazu ist er viel zu aufrecht und zu tüchtig. Und wer Heinz Eggert jemals kennenlernte, glaubt den gezielt inszenierten Schmutz ohnehin nicht.

Die viel drängendere Frage für mich ist, ob diese Republik es „überleben“ kann, daß in immer schnellerer Folge plumpe – in diesem Fall so leicht zu durchschauende – Beschuldigungen zum Rückzug herausragender Persönlichkeiten führen, die unser Land so dringend braucht. Und es wundert mich daher gar nicht, wenn immer weniger Menschen bereit sind, sich eines Knochenjobs in der Politik anzunehmen, wenn es so leicht ist, sie mit Schmutz zu bewerfen und Medien derartige „Tips“ zukünftig da hintun, wo sie hingehören – nämlich in den Papierkorb. Renate Wiedemann, Buchholz

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