■ Ökolumne: Online-Ökologie
Sauber ist sie, die schöne neue Online- Welt, die Politik und Wirtschaft auf der Cebit als Heilsbringer für das 21. Jahrhundert feiern. Beim Surfen auf dem Ozean der Millionen Websites fällt Datenmüll nur auf der Festplatte an. Mit einem Mausklick ist er entsorgt. Vorbei sind bald die Zeiten, als Bäume fallen mußten, um Information auf Papier zu bannen. Schon vor zwanzig Jahren, als Apple gerade die ersten Homecomputer entwickelt hatte, wurde das papierlose Büro verkündet. Archive, Ablagen, Notizen – all das sollte digital abgewickelt werden. Heute lacht jeder Büromensch herzlich über solch einen Quatsch, wenn er den täglichen Papierberg aus dem Laserdrucker zieht. Auch Online-Zeitungen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Öko-Witz. Das Darmstädter Institut für Papierfabrikation hat den Energieaufwand verglichen, um einen Artikel von 480 Wörtern zu drucken oder ins World Wide Web zu stellen. Ergebnis: Die Internet-Publikation schluckt achtmal mehr Energie. Und weil niemand gern am Bildschirm liest, wird der Text flugs ausgedruckt – auf zwei DIN-A4-Blättern von zehn Gramm Gewicht. In der Zeitung läßt sich derselbe Text auf 0,66 Gramm Papier unterbringen.
Das Hohelied der Informationsgesellschaft hat aber noch mehr Strophen. Die Neue wird gerade auf der Cebit angestimmt: E-Commerce und E-Business. Die Nation soll im Netz shoppen gehen und Handel treiben. Marktanalysen zufolge erwägen 16 Prozent der Bundesbürger, sich in diesem Jahr den Multimedia-PC anzuschaffen, der den Zutritt zur schönen neuen Online- Welt ermöglicht. Die acht Millionen PCs, die zur Zeit in deutschen Haushalten stehen, sind nur der Anfang.
Vor lauter Euphorie über den Strukturwandel wird übersehen, daß Computertechnik nicht vom Himmel fällt. Ein PC ist genauso ein Industrieprodukt wie ein Auto oder ein Kühlschrank. Sein „ökologischer Rucksack“ wiegt schwer: 13 Tonnen Müll fallen an bei der Herstellung von Platinen, Kabeln und Gehäuse. Deren Produktion ist ohne die klassischen Industrien Bergbau, Stahl und Chemie nicht möglich. Weder heute noch in Zukunft, wenn diese „schmutzigen“ Branchen vollends in die Länder des Südens abgewandert sein könnten. Den Schlüssel zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise bietet die Informationsgesellschaft nicht – sie ist nur ein weiteres Kind des Wachstumsdenkens.
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