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Onkel Seamus muß nach Südostasien Von Ralf Sotscheck

Die Iren sind ein Volk von Idioten – zumindest nach Einschätzung ihrer eigenen Regierung. Im Mai verkündete Kommunikationsminister Brendan Cowen eine „verbraucherfreundliche Neustrukturierung der Telefongebühren“. Nicht nur ZynikerInnen vermuteten hinter dieser Formulierung eine gesalzene Gebührenerhöhung.

Sie behielten recht: Mit der zweimonatlichen Telefonrechnung flatterte den KundInnen Anfang September ein Merkblatt ins Haus, woraus hervorgeht, daß die größte Ersparnis nach der neuen Gebührenordnung Anrufe in Südkorea, Taiwan und Indonesien bringen – nämlich 1,50 Pfund (etwa 3,50 Mark) pro Minute. Dafür kostet aber dank Einführung des Drei-Minuten-Taktes ein viertelstündiges Gespräch mit Onkel Seamus um die Ecke nun das Fünffache. Wenn man den Onkel allerdings dazu überreden könnte, nach Südostasien zu ziehen, ginge die Rechnung wieder auf. Was aber, wenn er nicht aus Irland weg will?

Dreister als die „Neustrukturierung“ sind freilich die Veränderungen bei der Mehrwertsteuer. Bisher habe Telecom den Großteil dieser Steuer aus der eigenen Tasche bezahlt, jammerte der Minister. Das habe das Unternehmen 28 Millionen Pfund pro Jahr gekostet. Ab September sei deshalb eine Erhöhung von zehn auf 16 Prozent nicht zu vermeiden, hieß es in dem Merkblatt. Offenbar hatten die Verantwortlichen nicht damit gerechnet, daß irgend jemand bis 16 zählen kann: Telecom erhöhte heimlich die Mehrwertsteuer rückwirkend bereits ab Juli.

Der staatliche Betrugsversuch flog natürlich auf. Sofort brach unter den Komplizen eine Verbalschlammschlacht aus. Jeder bezichtigte den anderen, den Steuerschwindel ausgeheckt zu haben: Cowan sagte, Telecom habe eigenmächtig gehandelt. Telecom-Direktor Gerry O'Sullivan, der das eigene Merkblatt gar nicht gelesen hatte, behauptete dagegen, er habe auf Anweisung des Finanzamts gehandelt. Und ein Sprecher des Finanzamts fragte zu guter Letzt, wer denn eigentlich für die Steuerpolitik verantwortlich sei, wenn nicht die Regierung.

Als das hämische Gelächter von den Oppositionsbänken immer lauter wurde, merkten die Beteiligten schließlich, daß sie alle im selben staatlichen Boot saßen. Flugs erklärte der rotköpfige Cowen die Mehrwertsteuererhöhung für Juli und August für ungültig. Die KundInnen sollen nun einfach fünf Prozent von der Rechnung abziehen. Wer schon bezahlt habe, solle weitere Instruktionen abwarten. Die Regierung werde die 2,5 Millionen Pfund, die Telecom durch diese Maßnahme einbüße, selbst begleichen – mit Steuergeldern, versteht sich. O'Sullivan, der sich plötzlich wieder im Besitz des Schwarzen Peters befand, wollte dem Minister nicht nachstehen: Er gab bekannt, daß er die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Grundgebühren als Wiedergutmachung um weitere zwei Monate auf November verschiebe.

Der Oppositionspolitiker Michael Noonan sagte, die ganze Geschichte habe „die Bevölkerung völlig verwirrt, sie aber zumindest davon überzeugt, daß sie übers Ohr gehauen“ werden soll. Im April nächsten Jahres steigt die Mehrwertsteuer nochmals um fünf Prozent – falls die staatlichen Steuerschwindler vorher nicht erneut heimtückisch zuschlagen.

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