■ QUERBILD: One Night Stand
Der britische Regisseur Mike Figgis feiert in Hollywood mit subtiler Schauspielerführung Erfolge und gilt als Fachmann für seelische Gratwanderungen. In Mr. Jones balanciert Richard Gere als Manisch-Depressiver über Dachfirste in die Arme seiner Therapeutin. Vor seinem Absturz ins Delirium tanzt Nicolas Cage in Leaving Las Vegas einen oscarwürdigen Pas-de-Deux mit Stricherin Elisabeth Shue.
Von erotischer Anziehung und Tod handelt auch One Night Stand. Doch diesmal schlägt Mike Figgis einen optimistischeren, leichteren Ton an. Ein flüchtiger Seitensprung mit einer Zufallsbegegnung berührt den erfolgreichen Werbefilmer Max (Wesley Snipes) weit tiefer als vorgesehen. Er war nach New York gekommen, um seinen aidskranken Freund Charlie (Robert Downey jr.) zu treffen. Nach typischen Pannen wie Paraden, Staus und überbuchte Hotels begegnet er Nastassja Kinski, einer hilfsbereiten Unbekannten.
Da der Flieger verpaßt ist, genießen sie zusammen ein klassisches Konzert und anschließend eine heiße gemeinsame Nacht. Zurück in L.A., kotzt ihn diese Stadt plötzlich nur noch an. Vor allem das hohle Geplapper seiner Kollegen, für die Urlaub nur mit CNN-Empfang vorstellbar, Schwulenhaß mehrheitsfähig und Nichtrauchen ein heiliges Sakrament ist. Das Work-Out-Programm der schweißtreibenden ehelichen Sex-Übungen weckt sehnsuchtsvolle Erinnerungen an die sanfte Liebesnacht in New York.
Ein Jahr später an Charlies Krankenbett: Die beiden Freunde bilanzieren in langen Abschiedsgesprächen ihre alte und doch zerbrochene Freundschaft, Todesangst und Lebenszweifel. Bei diesen Nachtwachen trifft Max die unbekannte Schöne wieder – als Verwandte des Kranken. Die Karten können neu gemischt werden.
Dank des einfühlsamen, verletzlichen Spiels von Kinski, Downey jr. und Snipes, der in Venedig als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, bleibt Mike Figgis' Ballade von Liebe und Freundschaft anrührend menschlich und gleitet selten ins Melodramatische ab. Gilla Steinmetz City, Passage, Streit's
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