: Oliver hat es 100mal probiert
„Ich suche seit zwei Jahren eine Lehrstelle, notfalls würde ich auch auf meine Ausbildungsvergütung verzichten. Gesetzlich geht das gar nicht. Aber sicher würde ich mich auch auf Tricks einlassen.
Drei Vorstellungsgespräche habe ich hinter mir. Einmal war ich bei einer Lebensversicherung. Da machte man mir verständlich, ich könnte den Ausbildungsvertrag als Versicherungskaufmann bekommen. Unter einer Bedingung: Ich sollte zehn, fünfzehn Leute finden, die sich für eine Versicherung interessieren könnten. Schlössen zwei davon einen Vertrag ab, bekäme ich meinen Ausbildungsplatz. Ich hab' versucht, Leute zu finden, aber diejenigen, die ich angesprochen habe, fragten: Hast du 'ne Macke? Leute anzubaggern liegt mir doch nicht so. Ich hab's dann gelassen.
Kurz danach stellte ich mich als Bürokaufmann-Azubi vor. Als erstes fragte mich der Typ: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie? Ich sagte: Ich bin in Darmstadt geboren und habe einen kroatischen Paß. Da ging er aus dem Zimmer, kam nach zehn Minuten zurück und meinte bloß: Das war's fürs erste, wir melden uns wieder. Nach einer Woche kam die Absage.
Beim dritten Mal war ich bei einer Bank. Eine Stunde haben wir uns nett unterhalten. Der Mann sagte, geht klar. Ich bin ganz glücklich nach Hause gegangen und habe allen erzählt, daß das Gespräch ganz, ganz toll war und es endlich geklappt hat. Fünf Tage später kam der Brief: Leider haben wir uns für einen anderen entschieden.
Auf meinem Schreibtisch steht ein Korb, da liegen jetzt gut 80 Absagen drin: Leider haben wir uns für einen anderen entschieden. Dieses: Du nicht! begleitet mich seit zwei Jahren, seit ich 16 bin. Ich sage mir, egal, es muß weitergehen, und versuche, schnell darüber hinwegzukommen. Was manchmal klappt und oft nicht. Wenn ich abends im Bett liege und nicht einschlafen kann, frage ich mich, was hast du falsch gemacht? Meine Mutter sagt: Du bist nicht schlechter als andere, es sind zu viele, die sich bewerben.
Seit meiner Hauptschulzeit will ich Bankkaufmann werden. Mit dem Abschluß kriegst du keine Lehrstelle, hieß es. Also bin ich auf die Berufsfachschule gegangen. Im ersten Jahr hatte ich einen Notendurchschnitt von 3,2. Da hat der Berufsberater gesagt: Das ist ja hundsmiserabel. Ich hab' jetzt mit 2,5 abgeschlossen. Ich schreibe systematisch alle Firmen an und bewerbe mich auf alles.“
aufgezeichnet von roga
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
