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Archiv-Artikel

Ohne Fehler Langeweile

Das als Match des besten Sturms (VfB Lübeck) und der besten Abwehr (St. Pauli) hochgejazzte Aufeinandertreffen der Spitzenreiter in der Regionalliga Nord endet 1:1 und beweist genau das Gegenteil. Damit kann sich keins der beiden Teams im Duell um den Aufstieg frühzeitig absetzen

von OKE GÖTTLICH

Eine leichte Erregung konnte Andreas Bergmann nicht verbergen. Der St. Pauli-Trainer schob sein Pilsglas über den Tisch, um die Situation vor dem Gegentor nachzustellen. „So ein Ding darf dem Fabio nicht passieren“, vollzog er den 1:1-Ausgleich des VfB Lübeck in der 45. Minute nach. Da unterlief Fabio Morena, Kapitän und Abwehrchef der Hamburger eine Flanke auf den Lübecker Daniel Bärwolf, der aus sechs Metern einschieben konnte. „Wir standen im Zentrum in Unterzahl, was nicht passieren darf“, kommentierte St. Paulis Rechtsverteidiger Ralph Gunesch das ärgerliche Gegentor. „Wenn solche Fehler nicht passieren würden, ginge ein Spiel immer 0:0 aus“, beschwichtigte Bergmann seinen eigenen Ärger. Und Vorwürfe wolle er bei dem Saisonstart nun auch niemandem machen.

Außer vielleicht denjenigen, die vor dem Spiel von dem Aufeinandertreffen der besten Abwehr (FC St. Pauli, drei Spiele, kein Gegentor) und des besten Sturms sprachen (VfB Lübeck, drei Spiele, zehn Tore). Weder das undichte Gefüge in St. Paulis Defensive wurde dieser Lobhudelei gerecht, noch die ziellosen Versuche der Lübecker, das Tor der Gastgeber zu treffen. Schweinsteigers Bruder, Tobias, brachte es in der 78. Minute fertig, gleich zwei Chancen auf einmal für die Lübecker zu vergeben. Einmal konnte Achim Hollerieth für seine Vorderleute retten, dann Ian Joy der St. Pauli per Kopf das Gegentor noch ersparte.

Ein hochklassiges Spiel hatten demnach auch beide Trainer nicht gesehen. „Vor dem Spiel wäre ich mit einem Punkt zufrieden gewesen, so aber hat jeder sehen können, dass wir die feinere Klinge geschlagen haben“, fasste Lübecks Coach Stefan Böger zusammen. Den besten Saisonstart seit drei Jahren konnte ihm das Unentschieden dennoch nicht verhageln. „Wenn man nach zwei brutal schweren Auswärtsspielen in Essen und St. Pauli zehn Punkte hat, darf man zufrieden sein.“

Mit dem großen Wurf, den sich die Fans des FC St. Pauli mit Hilfe einer großen Choreografie und vielen Kassenrollenschlangen erhofften, konnte Andreas Bergmann nicht dienen. Dabei versuchte er den Zuschauern mit einem neuen Spielsystem Vergnügen zu bereiten. Mit zwei offensiven Mittelfeldspielern (Meggle, Schultz) sowie drei indirekten Stürmern (Wojcik, Shubitidze, Arifi) sollte das kompakte Mittelfeld der Lübecker beschäftigt werden. Als Thomas Meggle allerdings direkt nach einer wunderbaren Flanke zum 1:0 durch den ebenfalls engagierten Timo Schultz verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, begann St. Paulis Spiel zu stocken. Der eingewechselte Jonny Sulentic konnte im offensiven Mittelfeld kaum Akzente setzen und Timo Schultz brachte sich durch Unbeherrschtheiten an den Rand einer gelb-roten Karte, weswegen auch er ausgetauscht werden musste.

„Dadurch mussten wir frühzeitig unser Mittelfeld durcheinander wirbeln“, so Bergmann, der dennoch überzeugt von seinem Dreier-Mittelfeld war. „Das Mittelfeld-Dreieck mit Fabian Boll, Timo Schultz und Thomas Meggle ist sehr variabel. Sowohl Schultz als auch Boll können offensiv hinter die Spitzen stoßen, als auch defensiv vor der Abwehr arbeiten.“ St. Paulis Kapitän Fabio Morena hingegen beklagte die fehlende Kontrolle des Spiels nach der Führung. „Daran müssen wir dringend arbeiten.“ Am unglücklichsten wirkte der kleinste Mann auf dem Feld, Shubi Shubitidze, der mit Jeton Arifi gemeinsam die offensiven Flügel des FC St. Pauli bespielte. „Ein bisschen spielerfahrener und ich hätte noch ein Tor gemacht“, sagte der 30-Jährige. „In manchen Situationen hätte ich einfach die bessere Lösung finden müssen“, ärgerte er sich über seine sonst nicht mangelnde Übersicht.

Auch Lübecks Spielgestalter Christian Möckel klagte über die vergebenen Chancen: „Hier haben wir auswärts noch nie gewonnen. So ein Scheiß.“ Seinen Ärger kann man verstehen. Wer möchte den Gastgeber nicht vor knapp 20.000 Fans mal schlagen.