: Offener Brief
■ an den Präsidenten der USA,. George Bush
an den Präsidenten der USA, George Bush
Sehr geehrter Herr Präsident, seit 22 Jahren unterdrückt der Tyrann Saddam Al Tikriti das irakische Volk brutal vor den Augen der ganzen Welt! Er hat ein diktatorisches, chauvinistisches und terroristisches Regime errichtet. Die Oppositionellen und Regimekritiker werden ständig inhaftiert und in finsteren Kerkern systematisch physisch und psychisch gefoltert oder vernichtet.
(...) Am 22.9.80 begann das irakische Regime den Krieg gegen Iran; Saddam Hussein hat seine Truppen in den Iran marschieren lassen, (...) um seine Macht auszudehnen. Trotz des Faschismus und obwohl das irakische Regime den Krieg gegen Iran angefangen hat, haben die arabischen Könige und Golfemire dieses vollkommen unterstützt. Weiterhin hat das Regime unterschiedliche Arten der modernsten und gefährlichsten Waffen - sowohl von den östlichen als auch westlichen Industrie-(Waffenhändler-)Ländern erhalten, ohne jegliche Berücksichtigung der Hunderttausende unschuldiger Opfer des Krieges! (...)
Auch die Vereinigten Staaten haben dem faschistischen Diktator beigestanden. Sie haben auch dem Westen und dem Golf grünes Licht bezüglich Waffenlieferungen und finanzieller Hilfen gegeben, einerseits wegen der Starrköpfigkeit des iranischen Regimes gegen sie, um das iranische Regime zu demütigen, andererseits, um ihre strategischen Interessen am Golf auf diese falsche Weise garantieren zu lassen. (...)
Am 16. März 1988 hat Saddams Regime die Stadt Halabja in Kurdistan nach der Besetzung durch die iranische Armee mit Giftgas (C-Waffen), das von Firmen der Bundesrepublik Deutschland - Amerikas Verbündeten in der Nato - geliefert wurde, zerstört. Die Sowjetunion hat das ungeheuere Verbrechen, das die ganze Weltöffentlichkeit erschütterte, einfach ignoriert und totgeschwiegen! Kein Land aus der arabischen Liga oder aus der islamischen Konferenz sowie von den Nicht-Pakt-Ländern hat dieses Vorgehen verurteilt; sogar in der UNO wurde das irakische Regime diesbezüglich nicht mit dem Namen erwähnt!
Amerika und die europäischen Medien haben einen großen Tumult veranstaltet, der sich jedoch schnell wieder legte; dieser Sturm ist dann an Saddams Regime harmlos vorbeigegangen, die Seite wurde umgeblättert.
(...) Am 2. August 1990 hat das irakische Regime Kuwait angegriffen und besetzt. (...)
Die Waffen und die militärischen Erfahrungen, die er (Saddam) während des Krieges gegen Iran von den Rüstungs -Ländern erhalten hat, haben ihn zu einem Raubtier gemacht; nach dem Überfall auf Kuwait ist er durch seine politische und wirtschaftliche Isolierung, durch das internationale Embargo verwundet worden. Die große Gefahr besteht also darin, daß er eine verrückte, selbstmörderische Tat unternehmen könnte, wenn er sein unausweichliches Ende spürt. Deshalb müßte die Krise, die er ausgelöst hat, mit Weisheit und Geduld gelöst werden.
Meiner Meinung nach besteht die größte Hilfe (...) darin, daß Sie den Krieg gegen ihn vermeiden, sich mit den internationalen Sanktionen begnügen, vorsichtig sind und das Untergraben des Regimes dem irakischen Volk überlassen sollten. Denn das faschistische Regime zu beseitigen und dann eine provisorische Regierung auf dem Weg zum Frieden und zur Demokratie zu gründen, ist die heilige Pflicht der irakischen Kämpfer. Die Fortsetzung des internationalen politischen und wirtschaftlichen Boykotts, „außer Medikamenten und Lebensmitteln“, wird das Streben der irakischen Opposition, diese Aufgabe zu erfüllen, erleichtern.
(...) Ich bitte Sie im Namen aller unterdrückten, gefolterten und vertriebenen Iraker, um die größte Katastrophe zu vermeiden, im Falle des Krieges gegen den verrückten Diktator, Atomwaffen gegen unser unterdrücktes Volk nicht zu verwenden, damit die Tragödie von Hiroshima und Nagasaki in Asien nicht wiederholt wird. Dies würde dem Ruf Amerikas nicht nur in Asien, sondern in der ganzen Welt furchtbar schaden, und der ideelle Verlust wäre sicher viel größer als jeglicher Personenschaden und materielle Verluste, die Sie während des Krieges in Kauf nehmen müßten.
Sardar Haydar, Exiliraker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen